Von wegen, der Weg ist das Ziel

Was ist wichtiger während wir eine Handlung planen: das übergeordnete Ziel oder der Weg dahin?

21. Dezember 2015

Von wegen, der Weg ist das Ziel: Gehirn konzentriert sich auf das Endergebnis einer Handlung.

Was ist wichtiger während wir eine Handlung planen: das übergeordnete Ziel oder der Weg dahin? Wissenschaftler des Max Planck Instituts für Kognitions- und Neurowissenschaften in Leipzig haben gezeigt: Zuerst haben wir das Ziel im Auge. Belegt haben sie das in einer Studie mit ausgebildeten Pianisten, deren geistige Prozesse sich mehr auf die anvisierte Harmonie einer Melodie konzentrierten als auf die Fingerpositionen während der einzelnen Akkorde.

Virtuos fliegen die Finger eines Pianisten über die Tasten. Mit scheinbarer Leichtigkeit erklingt eine Melodie, die das Publikum in ihren Bann zieht. Aber was leistet eigentlich das Gehirn des Klavierspielers, während er das Stück spielt? Denn mindestens zwei Dinge muss es dabei planen: Der Pianist muss sowohl bedenken, was er spielt, also welche Tasten er bedient, damit eine wohlklingende Melodie entsteht, als auch wie er spielt, also welche Finger er benutzt.

"Wir wissen nun, dass der Musiker nicht beides gleichzeitig im Blick behält, sondern zunächst die angestrebte Melodie und anschließend die entsprechenden Fingerbewegungen dazu. Also erst das Was und dann das Wie", so Dr. Daniela Sammler vom Max Planck Institut für Kognitions- und Neurowissenschaften in Leipzig (MPI CBS). Ähnlich eines Fußballspielers, der sich vorrangig darauf konzentriert, den Ball ins Tor zu schießen, ohne sofort explizit darüber nachzudenken, wie er seine Füße dafür bewegt.

Herausgefunden haben die Neurowissenschaftler diese Zusammenhänge, indem sie professionelle Pianisten gezielt in ihrem natürlichen Spielfluss störten. Den Musikern wurde dazu zunächst eine Melodie vorgeführt, die sie mit Leichtigkeit nachspielten. Plötzlich tauchte darin jedoch ein unerwarteter Akkord auf, der nicht ins melodische Schema passte und haarsträubend im Musikerohr klingen musste.

"Wie schnell der Pianist darauf reagieren kann und den unerwarteten Ton spielt, hängt davon ab, wie lang die Melodie davor war. Es dauert länger, je länger er anhand der Melodie vermutet hat, wo es hingehen soll und dann umso mehr überrascht wird", erklärt Roberta Bianco, Erstautorin der zugehörigen Studie und Doktorandin am MPI CBS. Grund für diese Verzögerung sei, dass der Pianist schon mit der Planung der eigentlich richtigen Bewegung hin zum wohlklingenden Ton begonnen hatte, diese aber auf einmal stoppen und umprogrammieren musste.

Solche Prozesse laufen keineswegs nur bei Pianisten ab. Ähnliches geschieht auch, während wir unsere Sprache und deren Grammatik benutzen. Wir erwarten beispielsweise, dass der Satzbeginn „Ich esse jetzt einen“ mit einem Nomen endet, und wären verwirrt, wenn stattdessen ein "lesen" folgen würde. "Ähnlich wie wir den Satzbau unserer Sprache verinnerlicht haben, haben wir gezeigt, dass ein professioneller Pianist die Regeln der Musik gewissermaßen in den Fingern trägt", so die gebürtige Italienerin, selbst studierte Musikwissenschaftlerin.

Die Ergebnisse belegen damit, dass das Gehirn unsere Umgebung ständig nach Regelmäßigkeiten abscannt um uns unsere alltäglichen Handlungen und Interaktionen zu ermöglichen. Daraus leitet es dann ab, was als nächstes kommen könnte und bringt entsprechend die voraussichtlich dafür notwendigen Prozesse in Position. Geschieht dann etwas Unerwartetes, benötigt es eine gewisse Zeit, um sich umzustellen. „Erstaunlich ist vor allem, dass bei einem Pianisten während seines virtuosen Spiels prinzipiell die gleichen kognitiven Prozesse ablaufen, die ein jeder von uns im Alltag nutzt“, fügt Bianco hinzu. Sei es während er spricht oder Fußball spielt. Oder einfach nur einen Kaffee kocht.

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