Lebensläufe der Stifter

Dr. Dieter und Dr. Anneliese Pontius heirateten am 7. Juli 1951 in Frankfurt/Main in Deutschland. Sie waren ebenbürtig in ihren unterschiedlichen Berufen und Seelenverwandte; sie teilten die gleiche Lebensphilosophie – Bücher, Reisen zu ungewöhnlichen sie inspirierenden Plätzen. Beide waren fasziniert von alten Kulturen & prähistorischer Kunst, wie z. B. den Steinskulpturen der Osterinseln. 1962 wurden beide US-Bürger und sind diesem Land, welches ihre Kreativität förderte und anerkannte, dankbar. Nach 45 Jahren in Nordamerika zogen sie in hohem Alter nach Frankfurt/Main.

Dr. Dieter Johann Jakob Pontius wurde am 31. Juli 1914 in Zürich in der Schweiz geboren und schied am 1. November 2009 in geistiger und körperlicher Frische aus dem Leben. Er studierte Chemie & Physik in Deutschland – München und Frankfurt – und legte seine Dissertation ab. Ein Stipendium der Deutschen Forschungsgemeinschaft ermöglichte ihm eine wissenschaftliche Tätigkeit in der endokrinologischen Forschung (Steroidchemie). Danach setzte er seine wissenschaftliche Karriere in Kanada, im Montreal General Hospital fort. Kurz danach arbeitete er in den USA auf Einladung von Prof. Gregory Pincus in der Clark University, Worcester, MA (Worcester Foundation for Biochemistry), und am Biochemical Institute, Willowbrook, New York City. Bis 1969 war er in der Industrieforschung in Newark, NJ tätig. Später arbeitete er gesundheitsbedingt selbständig in der Spektrophotometrie und studierte theoretische Physik und Mathematik bis zu seinem 95. Lebensjahr.

In seinem wissenschaftlichen Arbeitsleben entwickelte er vier neue spezifische Farbreaktionen für Steroidhormone für spektrophotometrische Methoden. Seine Ergebnisse publizierte er in deutschen und amerikanischen wissenschaftlichen Zeitschriften, u. a. Klinische Wochenschrift, Zeitschrift für Physiologische Chemie, Acta endocrinologica und Analytical Chemistry. Sein Name wird sehr oft im Handbook of Steroid Chemistry Determinations zitiert. Er war Mitglied der American Chemical Association, Fellow des American Institute of Chemists und im Who’s Who in the World gelistet.

Dr. Anneliese Alma Pontius wurde am 19. Mai 1921 in Chemnitz in Deutschland geboren. Sie wuchs in Dresden auf, was zu einem lebenslangen Interesse für Architektur und Kunst führte. Später studierte sie Medizin in Jena und Frankfurt/Main. Das Leben war als Flüchtling kompliziert. Trotzdem schloss sie 1950 ihre Dissertation als Dr. med. ab. Sie besuchte zusätzlich Vorlesungen und Seminare in Philosophie und Psychologie und publizierte in den Kant-Studien. Anschließend arbeitete sie an universitären Krankenhäusern in Frankfurt, München und Hamburg in den Bereichen Psychiatrie & Neurologie. 1953 schloss sie eine Ausbildung zur Psychoanalytikerin (Freud, Adler & Jung) ab. Bis dato hatte sie keine Bezahlung für ihre Arbeit erhalten – erst 1955 arbeitete sie im Rahmen einer bezahlten kurzen Vertretung in der Psychosomatischen Abteilung der Universität Hamburg. 1955 ging sie als Resident an die Psychiatrische Abteilung der McGill University in Montreal/Kanada und kurz darauf in die USA, nachdem ihr Ehemann ein Präferenzvisum als wissenschaftlich benötigter Immigrant erhalten hatte. Hier war sie in der Kinder-, Jugend- und besonders Erwachsenenpsychiatrie tätig und hatte nebenbei von 1962–1999 eine Privatpraxis, vorwiegend nach Jung in New York City. Von 1968–1999 war sie als medical advisor/expert am US Bundesgericht und in verschiedenen Gerichten tätig.

Für ihre wichtigen Beiträge zur Neuropsychiatrie wurde sie 1971 auf ein Jahr als Gastwissenschaftlerin an das National Institute of Mental Health, Rockville, MD, eingeladen. Sie war langjährig während der Sommerferien als „visiting professor“ an der Universität Heidelberg in der Neurologie tätig. Von 1969- 1976 arbeitete sie im Bereich forensische Neuropsychiatrie an der New York University als Assistant Professor, von 1977 an schließlich an der Harvard Medical School, Deparment of Psychiatry (McLean Hospital, später Massachussetts General Hospital) als Associate Clinical Professor bis zu ihrem 80. Lebensjahr 2001.

Dr. Anneliese Alma Pontius leistete in ihrem gesamten Leben wichtige Beiträge zur Konzeptualisierung neuropsychiatrischer Syndrome. Sie untersuchte kognitive Fähigkeiten indigener Völker auf vier Kontinenten, bei den Auca-Indianern in Amazonian Ecuador, in Papua-Neu Guinea, Irian Jaya, bei südwestäthiopischen Stämmen und bei den Aborigines in Nordaustralien.

Ihre visuell-räumlichen Testergebnisse gewannen an zunehmender Bedeutung bezüglich der einmalig menschlichen Fähigkeit mentaler Repräsentationen. So untersuchte sie uralte Felsmalereien mit frontal dargestellten menschlichen „neolithischen“ Gesichtern, die bisher weltweit nur in entlegenen Gebieten Nord-Australiens gefunden wurden. Ihr Begriff der „neolithic face“ Repräsentation (mit ununterbrochener Fortsetzung zwischen Stirn und Nase) postulierte das „neolithic face“ als eine angeborene primitiv-schematische Gesichtsrepräsentation, die erst durch spezifische äußere Erfahrungen differenziert werden kann. So beherrscht die „neolithic face“ Repräsentation weltweit die neolithische illiterale Kunst.

Erstaunlicherweise werden solche Gesichtsrepräsentationen von Neugeborenen bevorzugt und auch gezeichnet von Vorschulkindern (noch ohne TV-Einfluss), Präliteraten weltweit sowie von Patienten mit spezifischen Hirnschädigungen, die mit Leseschwierigkeiten verbunden sind, z.B. von einst literaten chronischen Alkoholikern. „Neolithic faces“ werden sogar beidseitig von normalen Gesichter-Vorlagen „kopiert“, während solche Patienten von anderen Gegenständen nur die Hälfte „sehen“ und „kopieren“ können.

Bezueglich der „neolithic face“-Repräsentation entwickelte Frau Pontius eine Theorie, welche eine subkortikale Verarbeitung über einen visuellen „amygdalar shortcut“ als wesentlich für diese Prozesse betrachtet, was mit einer 2003 von Neurowissenschaftlern nach Experimenten vorgeschlagenen Hypothese übereinstimmt.

Auch implizierte sie als Erste 1971 den Schwerpunkt präfrontal kognitiver Unterfunktionen bei der neuropsychiatrischen Erkrankung “Minimal Brain Dysfunction”, heute bezeichnet als Attention Deficit Hyperactivity Disorder (ADHD).

Sie entdeckte eine neue Form der partiellen Epilepsie, die ein Primatenmodell hat und einen neuro-physiologischen Mechanismus (Anfalls-Kindling) impliziert; veröffentlicht als “Limbic Psychotic Trigger Reaction” (LPTR) in bisher 24 Fällen. Hierbei führt ein individueller Triggerreiz, der nur moderat stressige Erinnerungen wiederbelebt, plötzlich zu spezifischen neurophysiologischen Symptomen inklusive einer kurzen „de novo Psychose“ mit ungewollten, motivlosen Handlungen. Diese Handlungen werden ohne Planung und emotionale Beteiligung vollzogen, aber erinnert. Bisher wurde ausschließlich kriminelles Verhalten untersucht (anderweitig unerklärbarer bizarrer Bankraub, Feuerlegen oder Mord). Jedoch gibt es wahrscheinlich unter der allgemeinen Bevölkerung sehr viel mehr dergleichen bisher unerklärte LPTR Fälle mit nur sozialen aber ebenso plötzlichen und nur minutenlang bizarren Verhaltensweisen.

Bei der LPTR kommt es in Folge einer kurzen Entkopplung zwischen frontalen und limbischen Netzwerken zu limbisch gesteuerten Handlungen und einer atavistischen Regression in ein „Paläobewußtsein“. Zukünftige Forschung zur LPTR könnte sich auf den experimentellen Ansatz des Anfalls-Kindlings stützen. Dieses Konzept wird durch Ergebnisse der direkten elektrischen Hirnstimulation bei präoperativen Patienten und damit ausgelösten mesotemporobasalen limbischen Anfällen (Prof. Dr. Heinz Gregor Wieser) und durch non-konvulsive behaviorale Anfälle beim Anfalls-Kindling bei Primaten (J. Wada) unterstützt. Das Primatenmodell der LPTR könnte zukünftig auch zum Verständnis des „freien Willens“ beitragen. Eine wichtige gemeinsame Veröffentlichung von Frau Pontius und Herrn Wieser ist beispielsweise Pontius, A.A., & Wieser, H.-G. (2004). Can memories kindle nonconvulsive behavioral seizures in humans? Case report exemplifying the “limbic psychotic trigger reaction”. Epilepsy & Behavior, 5, 775–783. Betr. 24. Fall s. Pontius, A.A. (2008). Neurocase, 14, 29–43.

Frau Pontius’ Beiträge zu den "neolithic faces" sind im Harvard’s Online Library Information System verfügbar (mit hunderten beigefügten Zeichnungen).

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