Ehemalige Max-Planck-Forschungsgruppe Neurotypologie

Betrachtet man das menschliche Sprachvermögen, so staunt man über dessen vielfältige Ausprägung: Derzeit werden auf der Welt über 6000 Sprachen gesprochen. Wie ist nun aber diese Sprachenvielfalt mit der Beobachtung vereinbar, dass alle Sprachen durch nur ein Gehirn bzw. durch ein einziges neuronales System produziert und verstanden werden? Welche Eigenschaften der neuronalen Spracharchitektur sind universell, welche unterscheiden sich von Sprache zu Sprache? Diesen Fragen geht die Selbständige Nachwuchsgruppe „Neurotypologie“ nach. Um sprachübergreifenden Gemeinsamkeiten und Unterschieden in der Neurokognition der Sprache auf den Grund zu gehen, führen wir systematische Vergleiche zwischen Sprachen aus diversen Sprachfamilien und mit unterschiedlichen Oberflächencharakteristiken durch. Momentan untersuchen wir, vorwiegend mit Hilfe ereigniskorrelierter Hirnpotentiale, zum Teil auch mittels funktioneller Magnetresonanztomographie, Chinesisch, Deutsch, Englisch, Hindi, Isländisch, Japanisch, Tamil und Türkisch.

Unsere Untersuchungen befassen sich vor allem mit der Satzinterpretation, d.h. mit der Frage, wie das Sprachverstehenssystem in Echtzeit aus einer Wortfolge eine komplexe Bedeutung extrahiert. Dabei interessieren wir uns vor allem für die Verarbeitung einfacher Sätze in unterschiedlichen Sprachen. Unser Ziel ist es, sprachübergreifende Generalisierungen beim Sprachverstehen zu isolieren und auf eine neue Klassifikation von Sprachen aufgrund ihrer neurokognitiven Eigenschaften – einer „Neurotypologie“ – hinzuarbeiten. Auf diesen Erkenntnissen aufbauend, entwickeln wir ein sprachübergreifendes neurokognitives Modell des Sprachverstehens.

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