Ein mutmaßlicher Täter, der sich kaum noch an seinen Namen erinnern kann; mehrere Verkehrsdelikte einer Frau Mitte fünfzig, die völlig unvernünftig ist und ihr Verhalten nicht versteht – sollten solche Fälle vor Gericht gebracht werden? Und wie geht der Staat mit Menschen um, die unbeabsichtigt Gewalttaten begehen? Diese Fragen kommen einem in den Sinn, wenn man solche Beispiele aus der täglichen klinischen Praxis mit Demenzkranken hört. Neurodegenerative Erkrankungen können verschiedene Funktionen des Gehirns beeinträchtigen, vom Gedächtnis bei Alzheimer über das Verhalten, wie bei der Verhaltensvariante der frontotemporalen Demenz, bis hin zur sensomotorischen Funktion bei Parkinson. Eine der interessantesten Folgen dieser Veränderungen ist die Tatsache, dass Menschen, die von diesen Erkrankungen betroffen sind, kriminelles Risikoverhalten wie Belästigung, Verkehrsdelikte, Diebstahl oder sogar Verhaltensweisen entwickeln können, die anderen Menschen oder Tieren Schaden zufügen, und zwar bereits als erstes Anzeichen der Erkrankung. Wenn Menschen aufgrund von Veränderungen in ihrem Verhalten, ihrer Persönlichkeit und ihrer kognitiven Fähigkeiten gegen soziale oder rechtliche Normen verstoßen, können diese Vorfälle erhebliche Auswirkungen auf das familiäre und soziale Umfeld dieser Person haben und zu einer strafrechtlichen Verfolgung führen. Matthias Schroeter und Lena Szabo vom MPI CBS untersuchten dieses Problem in einer breit angelegten Metaanalyse, die 14 Studien mit 236.360 Personen aus verschiedenen Ländern (USA, Schweden und Finnland, Deutschland und Japan) umfasste.
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