Mit der persönlichen Frequenz gezielt die Hirnaktivität steuern

17. August 2020
Mit der individuellen Frequenz lassen sich gezielt einzelne Hirnareale beeinflussen und damit die darin verarbeiteten Fähigkeiten – allein durch elektrische Stimulation an der Kopfhaut, ohne operative Eingriffe. Wissenschaftlern des Max-Planck-Instituts für Kognitions- und Neurowissenschaften gelang es damit als erste, nur das gewünschte Areal zu beeinflussen statt, wie bislang, diffus weitläufige Hirnbereiche.

Schlaganfall, Parkinson und Depression – diese Erkrankungen haben eine Gemeinsamkeit: Sie entstehen durch Veränderungen von Hirnfunktionen. Seit langem forscht man daher an Möglichkeiten, wie sich gezielt einzelne Funktionen im Gehirn ohne operative Eingriffe beeinflussen lassen, um so die Störungen ausgleichen zu können.

Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Kognitions- und Neurowissenschaften in Leipzig haben nun einen entscheidenden Schritt gemacht. Ihnen ist es gelungen, sehr passgenau ein einzelnes Areal im Gehirn in seiner Funktionsweise zu beeinflussen. Sie hemmten für einige Minuten genau den Bereich, der den Tastsinn verarbeitet, indem sie gezielt in dessen Rhythmus eingriffen. Dadurch war das Gebiet vorübergehend weniger mit anderen Hirnregionen vernetzt, seine sogenannte funktionelle Konnektivität sank. Und damit auch der Informationsaustausch mit anderen Hirnnetzwerken.

Möglich war das, indem die Forscher zuvor für jede Person den individuellen Hirnrhythmus bestimmt hatten, der auftritt, wenn man eine Berührung wahrnimmt. Mit der persönlichen Frequenz konnten sie mithilfe der sogenannten transkraniellen Wechselstromstimulation sehr gezielt allein die anvisierten Hirnareale modulieren. „Das ist ein enormer Fortschritt“, erklärt Christopher Gundlach, Erstautor der zugrundeliegenden Studie. „In früheren Studien hatte sich die Konnektivität breit verteilt in verschiedenen Hirnarealen verändert. Der Strom suchte sich ungezielt seinen eigenen Weg im Gehirn und beeinflusste dadurch recht ungenau verschiedene Hirnareale gleichzeitig.“

In einer Vorstudie hatten die Neurowissenschaftler bereits beobachtet, dass diese Form der Stimulation nicht nur den Austausch der anvisierten Hirnnetzwerke mit anderen Netzwerken verringert. Sie wirkt sich auch auf die darin verarbeitete Fähigkeit, den Tastsinn, aus. Hemmten die Forscher das zuständige somatosensorische Netzwerk, erhöhte sich die Wahrnehmungsschwelle. Die Personen nahmen erst Reize wahr, wenn sie entsprechend stark waren. Regten sie die Region hingegen an, sank der Schwellenwert. Die Studienteilnehmer spürten bereits sehr sanfte elektrische Reize.  

„Die gezielte Veränderung des Hirnrhythmus hielt zwar nur kurz an. Sobald die Stimulation ausgeschaltet wird, verschwindet der Effekt wieder“, erklärt Bernhard Sehm, Forschungsgruppenleiter am MPI CBS und Oberarzt der Universitätsmedizin Halle. „Die Ergebnisse sind trotzdem ein wesentlicher Schritt hin zu einer gezielten Therapie von Erkrankungen, die durch gestörte Hirnfunktionen hervorgerufen werden.“ Eine gezielte Hirnstimulation könnte helfen, den Informationsfluss zu verbessern, zu lenken und, wenn nötig, abzuschwächen.

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