Trotz Schutz: Wie uns Corona-Masken Emotionen schlechter erkennen lassen

20. August 2021

Während der Corona-Pandemie sind Masken wichtig, um sich vor Ansteckungen mit dem Virus zu schützen. Neben diesem positiven Effekt könnten sie aber auch einen negativen haben. Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Kognitions- und Neurowissenschaften (MPI CBS) gehen in einem aktuellen Perspective Paper davon aus, dass die Mund-Nase-Bedeckungen die soziale Kognition beeinträchtigen, also die Fähigkeit, Emotionen und mentale Zustände anderer Personen zu erkennen. Geistige Abbauprozesse könnten, so die Hypothese, damit beschleunigt werden. Besonders betroffen könnten Ältere und Menschen mit bestimmten Formen von Demenz sein.

Ihre Theorie, die Masken könnten die soziale Kognition beeinträchtigen, gründen die Forscher auf mehrere Beobachtungen. Zum einen hatte eine Studie der Universität Bamberg im vergangenen Jahr im Zuge der Corona-Pandemie erkannt, dass die Emotionserkennung durch Mimik stark beeinträchtigt ist, wenn bis zu 70 Prozent des unteren Gesichts bedeckt sind. Demnach beeinträchtigen die Masken vor allem die Erkennung von Gefühlen wie Ekel, Glück, Trauer und Ärger, die größtenteils über die Mundregion vermittelt werden. Furcht und neutrale Gesichtsausdrücke erkannten die StudienteilnehmerInnen weiterhin gut. Sie werden vorrangig über die Augenpartie abgelesen.

Zum anderen hatte eine Untersuchung der MPI CBS-Forscher selbst gezeigt, dass auch die Augenpartie nicht für alle eine Möglichkeit ist, um die darüber vermittelten Emotionen auszulesen: Ältere Menschen schnitten im sogenannten Reading-the-Mind-in-the-Eyes-Test schlechter ab als Jüngere. Ihnen fällt es demnach schwerer, Gemütslagen anhand der Augen zu erkennen – jene Gesichtsregion, die bei der Nutzung von Masken noch ungehindert zugänglich ist. Tatsächlich verlassen sich Ältere auf die untere Gesichtspartie, um Stimmungen zu erkennen. Jüngere beziehen hingegen die gesamte Mimik ihres Gegenübers ein, um dessen Gemütslage einschätzen zu können. Im Falle der Masken, so die Schlussfolgerung der Forscher, wird diese Strategie für die Älteren jedoch zum Problem. Und nicht nur für die: Auch für Betroffene von Demenz. Auch sie haben Probleme, Gefühle von der Augenpartie abzulesen.

 „Ältere und Menschen mit Demenz sind bereits in ihrer sozialen Kognition beeinträchtigt“, sagt Matthias Schroeter, Leiter der Forschungsgruppe „Kognitive Neuropsychiatrie“ am MPI CBS in Leipzig und Erstautor des zugrundeliegenden Perspective Papers, das jetzt im Fachmagazin „Frontiers in Psychology“ erschienen ist. „Deshalb sollten die Effekte von Masken hier besonders berücksichtigt werden.“ Die Folge könnte aus Sicht der Forscher eine schlechtere soziale Kommunikation sein, nicht nur bei den Älteren, sondern über alle Altersklassen hinweg. Zudem könnten sich kognitive Abbauprozesse vor allem bei denen beschleunigen, die davon ohnehin bereits betroffen sind.    

Die Wissenschaftler plädieren daher dafür, diese Zusammenhänge für die verschiedenen Altersklassen und Erkrankungen wie Demenz genauer zu untersuchen. Sollten sich ihre Vermutungen bewahrheiten, müssten diese Beeinträchtigungen stärker in den Fokus gerückt und entsprechende Gegenmaßnahmen ergriffen werden. Möglich wäre es beispielsweise auf durchsichtige Masken etwa aus Folie zu setzen. Zudem sollte man mehr darauf achten, so die Wissenschaftler, Gespräche expliziter zu führen. Statt auf subtile Mimik sollte man demnach mehr auf klare Sprache und Gestik setzen. Und schließlich könnte verstärkt Telemedizin eingesetzt werden, bei der die Kommunikation zwischen Arzt und Patient über den Bildschirm stattfindet. Beide müssten keine Maske tragen, die Qualität der Diagnose wäre nicht beeinträchtigt. Etwa, wenn es darum geht, Gehirnkrankheiten wie die frontotemporale Demenz zu erkennen, für die ein wesentliches Kriterium die soziale Kognition ist.

Auf Masken zum Schutz vor Infektionen zu verzichten, ist dagegen aus Schroeters Sicht keine Option. „Selbst wenn Untersuchungen diese Risiken bestätigen, überwiegt der Nutzen. Gerade bei Älteren und Menschen mit Demenz, die besonders gefährdet sind gegenüber schweren Krankheitsverläufen.“ Diese Abwägung von Risiko und Nutzen sei wie bei jeder anderen medizinischen Maßnahme zu berücksichtigen. Kenne man jedoch die Nebenwirkungen, so Schroeter, könne man entsprechend lernen, damit umzugehen.

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