Herz über Kopf? Phasen des Herzzyklus beeinflussen neuronale Reaktionen

29. November 2023

Zwischen zwei aufeinanderfolgenden Herzschlägen gibt es optimale Zeitfenster für Handlung und Wahrnehmung, wie Wissenschaftler*innen des Max-Planck-Instituts für Kognitions- und Neurowissenschaften in Leipzig herausgefunden und in der Zeitschrift PLOS Biology veröffentlicht haben. Die Abfolge von Herzkontraktion und -entspannung ist mit Veränderungen im motorischen System und seiner Fähigkeit, auf Stimulation zu reagieren, verbunden. Dies könnte Auswirkungen auf die Behandlung von Depressionen und Schlaganfällen haben. 
 

Die Art und Weise, wie wir die Welt wahrnehmen und uns mit ihr auseinandersetzen, wird durch innere körperliche Prozesse wie Herzschlag, Atmung und Verdauung beeinflusst. Die Herztätigkeit kann die auditive und visuelle Wahrnehmung beeinflussen, und frühere Studien haben gezeigt, dass die somatosensorische Verarbeitung während der systolischen Phase des Herzzyklus beeinträchtigt sein kann.

Um einen besseren Einblick in diese Prozesse zu erhalten, wollten Esra Al und ihre Kolleg*innen vom MPI CBS herausfinden, ob sich die kortikale und kortikospinale Erregbarkeit - die Bereitschaft, auf Reize zu reagieren - während des Herzzyklus verändert. 37 gesunde Freiwillige im Alter zwischen 18 und 40 Jahren erhielten eine Reihe von transkraniellen Magnetstimulationsimpulsen (TMS) - nicht-invasive kurze Magnetimpulse, die Nervenzellen stimulieren - über der rechten Gehirnhälfte. "Es gab zwar schon früher Studien, in denen versucht wurde, Veränderungen der kortikospinalen Erregbarkeit entlang des Herzzyklus zu erfassen, aber die Einzigartigkeit unseres Ansatzes liegt in der Verwendung der Elektroenzephalographie in Kombination mit TMS, die es ermöglicht, Veränderungen der kortikalen Aktivität direkt zu untersuchen", sagt Vadim Nikulin, einer der Hauptautoren der Studie.

Während der Stimulation wurden periphere und kortikale motorische Reaktionen sowie die Herzschläge gemessen, und die Forscher*innen stellten fest, dass während der systolischen Phase eine höhere Erregbarkeit aufgezeichnet wurde. Diese gleichzeitigen Aufzeichnungen von Gehirnaktivität, Herzaktivität und Muskelaktivität deuten darauf hin, dass das Timing der Herzschläge und ihre neuronale Verarbeitung mit Veränderungen der Erregbarkeit des motorischen Systems verbunden sind.

TMS wird bei der Behandlung von Depressionen und der Genesung nach einem Schlaganfall eingesetzt. Die Forschung eröffnet die Möglichkeit, diese Ergebnisse für die Überwachung und Optimierung der TMS-Behandlung zu nutzen und zu einem besseren Verständnis der Wechselwirkungen zwischen Gehirn und Körper bei Gesundheit und Krankheit beizutragen.

Die Forschenden fügen hinzu: "Interessanterweise deckt diese Studie eine bemerkenswerte Verbindung zwischen dem menschlichen Herz und dem Gehirn auf und offenbart unterschiedliche Zeitfenster, die für Aktion und Wahrnehmung maßgeschneidert sind."

Quelle: PLOS Biology/MPI CBS

 

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