Wie unser Gehirn Handlungspläne organisiert
Wie werden die Beziehungen zwischen verschiedenen Handlungsplänen im Gehirn organisiert und strukturiert, um unser reiches Verhaltensrepertoire zu unterstützen? Irina Barnaveli und Christian Doeller sowie Simone Viganò und Daniel Reznik vom Max-Planck-Institut für Kognitions- und Neurowissenschaften und Patrick Haggard vom Institute of Cognitive Neuroscience, University College London, zeigen in ihrer aktuellen Studie, dass das Gehirn Assoziationen zwischen Handlung und Ergebnis in einer kognitiven Kartenstruktur organisiert. Das Team beschreibt in dem Artikel, der kürzlich in Nature Communications veröffentlicht wurde, dass diese kognitiven Karten, die im Hippocampus-System angesiedelt sind, während der Handlungsbewertung mit dem motorischen System kommunizieren – was darauf hindeutet, dass die Fähigkeit zur zielgerichteten Handlungsplanung auf mehreren neuronalen Systemen beruht.

Die Studie zeigt, dass das Gehirn Handlungspläne in einer kognitiven Kartenstruktur organisiert, um unser Verhalten zu steuern.
Der Hippocampus spielt eine zentrale Rolle bei der Bildung von Erinnerungen und der Organisation von Handlungsplänen, ähnlich wie er Raumkarten erstellt.
Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass das Gehirn Handlungspläne abstrahiert und in einer kartenähnlichen Darstellung organisiert, die mit dem motorischen System kommuniziert.
Die menschliche Fähigkeit, ein vielfältiges und hochkomplexes Repertoire an Handlungsplänen zu entwickeln, ist wirklich bemerkenswert. Viele unserer Verhaltensweisen beruhen auf Assoziationen zwischen Handlungen und ihren Ergebnissen, die wir flexibel gestalten und nutzen können. So kann beispielsweise ein und derselbe Tastendruck zu unterschiedlichen Ergebnissen führen, je nachdem, ob er auf einer Computertastatur, einem Radio oder in einem anderen Kontext ausgeführt wird. Wir haben oft mehrere Alternativen zur Auswahl, so dass die Auswahl einer Handlung einen Vergleich der verfügbaren Handlungsergebnisse erfordert, was ein nicht triviales und anstrengendes Problem darstellt.
„Wie vergleichen wir die vielen im Gedächtnis gespeicherten Handlungspläne und wählen den am besten geeigneten aus? Wir schlagen vor, dass diese Assoziationen zwischen Handlung und Ergebnis in einer kognitiven Karte im Hippocampus organisiert werden, die eine effiziente Auswahl von Handlungen aus dem reichhaltigen menschlichen Verhaltensrepertoire unterstützen könnte“, erklärt Irina Barnaveli, Erstautorin der Studie. „Der Hippocampus ist ein Teil des Gehirns, der an der Bildung von Erinnerungen und der Navigation im Raum beteiligt ist. Die Navigation hängt stark von der Erstellung von Raumkarten ab. Unsere Studie deutet darauf hin, dass wir ähnliche Karten erstellen, um Handlungspläne zu organisieren und auszuwählen und so die Wahrnehmung mit der Handlung zu verknüpfen“.
In der immersiven virtuellen Realität führten die Studienteilnehmenden eine motorische Interaktionsaufgabe durch, bei der sie lernten, das Fliegen und Fangen eines virtuellen Balls durch verschiedene Aktionen zu steuern. Später verglichen sie die erlernten Handlungen, während ihre Gehirnaktivität mittels funktioneller Magnetresonanztomographie (fMRI) überwacht wurde. Die Wissenschaftler*innen fanden Muster der Gehirnaktivität, die typischerweise als Signaturen des „kognitiven Mappings“ interpretiert werden, was darauf hindeutet, dass das Gehirn Handlungspläne abstrahiert und in einer kartenähnlichen Darstellung organisiert. Diese Karte lässt sich auch am Verhalten der Teilnehmenden ablesen: Je näher die Handlungen innerhalb der hypothetischen Karte lagen, desto ähnlicher wurden sie von den Studienteilnehmenden wahrgenommen. Erstaunlicherweise tauscht diese kognitive Karte im Hippocampus Informationen mit dem motorischen System aus, um mehrere Handlungspläne miteinander in Beziehung zu setzen.
Handlungsaufgabe für die Teilnehmenden der Studie
„Die kartenähnlichen Darstellungen könnten daher zeigen, wie Menschen mit ihrer Umwelt in einem sehr allgemeinen Sinne interagieren, weit über den spezifischen Fall der räumlichen Navigation hinaus. Indem sie die Handlungsauswahl unterstützen, könnten kognitive Karten dazu beitragen, den Erwerb und die Nutzung eines breiten Repertoires von Handlungsplänen zu optimieren. Diese Entdeckung stellt die klassische Unterscheidung in Frage zwischen deklarativem, also Wissensgedächtnis, und prozeduralem Gedächtnis, also dem Verhaltensgedächtnis, und deutet darauf hin, dass zielgerichtete Handlungen auf mehreren neuronalen Systemen beruhen, die Handlungsgenerierung, motorische Planung und Gedächtnis beinhalten“, fasst Christian Doeller, Letztautor der Studie, zusammen.