Aufmerksam zuhören - Hirn-Wellen zeigen Mühen des Hörens im Alter an

Kürzere Aufmerksamkeitsspannen sind eine Ursache für nachlassendes Hörvermögen im Alter

28. Januar 2015

Ältere Menschen klagen oft über Hörschwierigkeiten, besonders wenn mehrere Personen durcheinander sprechen. Forscher am Max-Planck-Institut für Kognitions- und Neurowissenschaften in Leipzig haben herausgefunden, dass der Grund hierfür nicht nur im Ohr, sondern ebenso in veränderten Aufmerksamkeitsprozessen im Gehirn älterer Menschen zu finden ist. Eine besondere Bedeutung kommt dabei den Alpha-Wellen zu, deren Anpassung an veränderte Hörsituationen das Sprachverständnis in Alltagssituationen verbessert.

Unser Gehirn ist ständig aktiv. Die winzigen Ströme, die dabei im Gehirn fließen, sind mit Hilfe des Elektroenzephalogramms in Form von Spannungsschwankungen an der Kopfoberfläche messbar. Besonders die regelmäßigen Alpha-Wellen mit einer Frequenz von circa zehn Schwingungen pro Sekunde prägen das so gemessene Signal. Bei Höraufgaben zeigt die Stärke dieser Alpha-Wellen die Höranstrengung der Zuhörer an.  

Diese Tatsache haben sich die Wissenschaftler der Forschungsgruppe „Auditive Kognition“ am Leipziger Max-Planck-Institut unter Leitung von Jonas Obleser zunutze gemacht und die Alpha-Wellen 20 bis 30 Jahre und 60 bis70 Jahre alter Studienteilnehmer während einer Höraufgabe aufgezeichnet. Dabei zeigte sich zunächst, dass der Ausschlag der Alpha-Wellen älterer Teilnehmer während der Höraufgabe schneller abnahm als bei jüngeren. „Das könnte bedeuten, dass die die älteren Teilnehmer nicht mehr so lange aufmerksam bleiben“, erklärt Malte Wöstmann, der die Studie leitete.

Die Teilnehmer sollten gesprochene Zahlen hören und per Knopfdruck angeben, ob die zweite Zahl größer oder kleiner war als die erste. Die Forscher überlagerten die gesprochenen Zahlen außerdem mit einem Störgeräusch. Mit diesem Störgeräusch simulierten die Forscher eine Hörsituation wie sie uns im Alltag ständig begegnet. Um zu vermeiden, dass die Ergebnisse aufgrund unterschiedlicher individueller Hörleistungen des Ohrs selbst verfälscht würden, testeten die Wissenschaftler vor der Aufgabe die Hörfähigkeit aller Probanden und passten das Sprachmaterial entsprechend an die Bedürfnisse jedes Einzelnen an. So wurde die Aufgabe für jüngere und ältere Teilnehmer gleich schwer.

Während die Teilnehmer die Zahlenaufgabe lösten, manipulierten die Forscher die akustische Qualität, indem sie bestimmte Frequenzen aus dem Sprachsignal löschten. „Die Stimmen klingen dann wie künstlich generierte Computersprache“, sagt Wöstmann. Zum anderen variierten sie gezielt die Vorhersehbarkeit der Lösung: Wird eine sehr kleine Zahl am Anfang genannt, ist die Wahrscheinlichkeit höher, dass die zweite Zahl eine größere ist. Mit besserer Vorhersagbarkeit wurden ältere und jüngere Teilnehmer schneller beim Lösen der Aufgabe. Anders war es jedoch bei der veränderten akustischen Qualität: Hier profitierten paradoxerweise die Älteren stärker von höherer Qualität und lösten die Aufgaben schneller.

Die hohe Bedeutung der akustischen Qualität für ältere Teilnehmer spiegelte sich auch in den Alpha-Wellen wider: Mit besserer Sprachqualität wurde der Ausschlag der Alpha-Wellen in der Gruppe der Älteren signifikant kleiner als bei den Jüngeren. Offenbar verschiebt sich die Aufmerksamkeit im Alter auf akustische Aspekte des Sprachsignals.

Darauf deuten auch die Ergebnisse einer Befragung der Teilnehmer hin. Sie sollten darin ihre Schwierigkeiten einschätzen, einer Person zuzuhören, wenn andere Personen im Hintergrund laut sprechen. Demnach fiel es einem Teilnehmer umso leichter, trotz Hintergrundlärm zuzuhören, je stärker sie ihre Alpha-Wellen im Experiment an veränderte Akustik und Vorhersagbarkeit anpassten. „Die Modulation der Alpha-Wellen beeinflusst damit das Verstehen von Sprache in alltäglichen Hörsituationen“, sagt Wöstmann.

Diese Forschungsergebnisse eröffnen neue Fragestellungen und Entwicklungsmöglichkeiten. „Ich denke hier zum Beispiel an die Möglichkeit, Hörgeräte irgendwann einmal individuell und dynamisch an die Hirnaktivität des Zuhörers anzupassen, um so das Sprachverstehen in anspruchsvollen Situationen zu verbessern“, erklärt Malte Wöstmann die Perspektive für weitere wissenschaftliche Studien, die die Forscher bereits planen.

KP/HR

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