Was geht nur in deinem Kopf vor? Wie Hirnforschung neue Einblicke in die kindliche Entwicklung ermöglicht.

Neurowissenschaftliche Methoden erlauben neue Einblicke in die kindliche Entwicklung. Die Forschung in diesem Bereich ist jedoch auch mit Herausforderungen verbunden. Alle Beteiligten brauchen Zeit und Geduld – gerade in Corona-Zeiten. Doch die Ergebnisse zeigen: Es lohnt sich.

Kinderlogik ist mitunter rätselhaft. Da ist der einjährige Junge, der seiner Mutter bei jeder Gelegenheit den Schlüsselbund aus der Tasche stiehlt, weil er auf dem Spielplatz den Stromkasten "aufschließen" will. Oder das zweijährige Mädchen, das sein Lieblingsbuch mit einer Bastelschere in kleinste Stücke schneidet. Es gibt wohl kaum ein Elternteil, das sich nicht schon gefragt hätte, was in den Köpfen kleiner Menschen vorgeht. Und wäre es nicht wundervoll einfach mal reinschauen zu können?

Neurowissenschaftliche Methoden machen es möglich

Mit Hilfe von Elektroenzephalographie (EEG), funktioneller Nahinfrarotspektroskopie (fNIRS) oder Magnetresonanztomographie (MRT) können wir erstmals Einblicke in das kindliche Gehirn gewinnen, und nachvollziehen, was dort wann und wo passiert.

Kinder entwickeln in den ersten vier Lebensjahren in bemerkenswertem Tempo neue Fähigkeiten: Laufen, Sprechen oder soziales Handeln. Wir können die Gehirnentwicklung vor und nach dem Erwerb bestimmter Fertigkeiten miteinander vergleichen und erfahren somit viel über die Hirn-Netzwerke, die für Erwerb und Verfeinerung dieser Fähigkeiten essentiell sind. Bei Erwachsenen ist ein solcher Abgleich nicht möglich, da diese in aller Regel bereits auf das volle Spektrum ihrer kognitiven Möglichkeiten zurückgreifen können. Mittels neurowissenschaftlicher Methoden erhalten wir insbesondere bei Säuglingen und Kleinkindern zusätzlich Informationen über Fähigkeiten, die bis dato verborgen blieben - wir können so beobachten, was die Kinder noch lange nicht in Worte fassen können.

Die so gewonnenen Erkenntnisse haben wichtige Implikationen für die frühkindliche Förderung, können darüber hinaus aber auch zu Erkenntnissen über Entwicklungsstörungen beitragen.

EEG- und fNIRS-Studien

Dem großen Nutzen steht allerdings ein nicht unerheblicher Aufwand in der Datenerhebung gegenüber. Bei EEG- und fNIRS-Messungen nehmen die Kinder aktiv am experimentellen Geschehen teil. Inhalt der Studien sind in der Regel spielerische Aufgaben, kindgerechte Videos oder Bilder sowie Audio-Aufnahmen. Bei der Vorbereitung achten wir darauf, dass die Inhalte für Kinder interessant und anregend sind, damit sie Spaß an der Studie haben und gerne mitmachen. Um die Hirnaktivität aufnehmen zu können, tragen die Kinder eine spezielle elastische Kappe mit integrierten Sensoren, die einer Badekappe ähnelt. Wir bauen immer erst eine Beziehung zu dem Kind auf und halten interessantes Spielzeug bereit, um das Kind unterhalten zu können. Während der Messung sitzen die Kinder durchgängig auf dem Schoß der Eltern und machen so viele Pausen, wie sie möchten. Merken die Eltern, dass ihr Kind die Lust verliert, müde oder hungrig wird, wird die Erhebung beendet. Aktuelle EEG- und fNIRS-Studien finden Sie hier.

MRT-Studien

Um Bilder vom kindlichen Gehirn aufnehmen und verstehen zu können, was dort vor sich geht, wird eine Aufnahme mit einem MRT gemacht. Das dauert etwa 10 bis 15 Minuten, in denen die Kinder möglichst ruhig liegen bleiben sollten. An dieser Stelle werden sich vor allem Eltern fragen: „10-15 Minuten still liegen - wie soll das denn gehen?“. Bei Kleinkindern führen wir die Messungen während des Mittagsschlafes durch - in Begleitung der Eltern und mit allen Einschlaf-Ritualen, die sie auch von zu Hause kennen. Sollte das Kind während der Messung aufwachen, wird diese beendet. Ab dem Vorschulalter üben wir das MRT zunächst spielerisch mit einem Spiel-MRT-Gerät. Während der richtigen Messung können sich die Kinder dann einen ihrer Lieblingsfilme auf einer Videobrille anschauen. Aktuelle MRT-Studien finden Sie hier.

Das Wohl der Kinder steht immer im Mittelpunkt

Inklusive Vor- und Nachbereitung dauert der gesamte Aufenthalt meist etwa 1 Stunde, obwohl die Erhebung selbst nur etwa fünfzehn Minuten umfasst. Da ganz natürliche Bewegungen der Kinder zu Signalstörungen führen können und sich gerade Kleinkinder leicht vom experimentellen Geschehen ablenken lassen, ist jede Messung eine Herausforderung. Und um valide Schlüsse über die Entwicklung von Kindern ziehen zu können, müssen eine ganze Menge an Kindern an der Studie teilnehmen. Unsere Forschung wird also erst durch die Neugier möglichst vieler Eltern möglich, die mit ihren Kindern bereit sind, unsere Arbeit zu unterstützen.

Neurowissenschaftliche Forschung während der Corona-Pandemie

Dies gilt unverändert auch während der Corona-Pandemie. Selbstverständlich hat das Max-Planck-Institut in diesem Zusammenhang strenge Hygienemaßnahmen etabliert, um die Gesundheit von teilnehmenden Familien und Mitarbeiter*innen gleichermaßen zu schützen. Dementsprechend dürfen nur gesunde Eltern und Kinder ohne Erkältungssymptome an unseren Studien teilnehmen. Wer selbst Kinder hat, weiß jedoch: die Tage ohne laufende Nase sind gerade in den kälteren Jahreszeiten gezählt. Folglich muss derzeit ungefähr die Hälfte aller vereinbarten Mess-Termine kurzfristig abgesagt werden. Auch die Rekrutierung von interessierten Familien ist aktuell besonders schwer. Denn zuvor waren unsere studentischen Hilfskräfte regelmäßig auf den Wöchnerinnenstationen unterwegs, haben Eltern persönlich über unsere Forschungsvorhaben informiert und auf diesem Weg viele neue Interessierte gewonnen. In Corona-Zeiten ist dies natürlich nicht mehr möglich und so ist es besonders schwer mit Familien in Kontakt zu treten.

Ihre Unterstützung ist gefragt

Die neurowissenschaftliche Forschung steht daher derzeit vor besonderen Herausforderungen, und ist in hohem Maße auf aufgeschlossene Familien angewiesen. Denn nur mit der Unterstützung von Eltern und Kindern können weiterhin wichtige Erkenntnisse gemacht werden. Und nur so kommen wir alle gemeinsam dem Geheimnis ein Stück näher, was in Kinderköpfen wirklich vor sich geht, und wie uns diese Entwicklungen bis ins Erwachsenenalter prägen.

Interesse?

Sollten wir Ihr Interesse geweckt haben, können Sie unter www.cbs.mpg.de/selbststaendige-forschungsgruppen/fruehe-kognitive-entwicklung mehr über unsere Studie erfahren und sich gerne unter 0341 99 40 140 oder bei uns melden. Falls Sie nicht aus Leipzig und Umgebung kommen, freuen wir uns über Ihre Teilnahme an unseren Online-Experimenten, die Sie bequem und einfach mit Ihren Kindern von Zuhause aus durchführen können. Mehr Informationen dazu finden Sie unter www.cbs.mpg.de/onlinestudien/fruehe-kognitive-entwicklung.

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