Wie unser Gehirn Sprache zeitlich verarbeitet

15. November 2023

„Ich nehme gern noch einen Kaffee!“ Während eines alltäglichen Gesprächs müssen die Zuhörer schnell und effizient verschiedene Arten von Informationen aus dem Gesagten extrahieren, um die übermittelte Botschaft zu verstehen. Der komplexe Prozess der Sprachverarbeitung wird durch die Interaktion zwischen weit verteilten Regionen im Gehirn gesteuert. Aber wie laufen die Prozesse in unserem Sprachnetzwerk genau ab? Joëlle Schroën und ihre Kolleg*innen vom MPI CBS konnten in einer mehrteiligen Studie den Nachweis für ein koordiniertes zeitliches Zusammenspiel innerhalb des menschlichen Sprachnetzwerks finden.
 

In drei Studien wurden Elektroenzephalographie-Messungen (EEG) und eine etablierte, nicht-invasive Stimulationsmethode genannt Transkranielle Magnetstimulation (TMS) kombiniert, um zu verstehen, wie die zeitlich und räumlich ablaufenden Prozesse im temporalen und frontalen Kortex des Gehirns miteinander verknüpft sind. Den Studienteilnehmer*innen wurden kurze Sätze wie zum Beispiel „Er trinkt das Bier“ oder „Er sieht das Bier“ über Kopfhörer präsentiert, um die Erwartungshaltung des Gehirns zu untersuchen - wobei „trinken“ zu genaueren Vorhersagen führen sollte als „sehen“. Per elektromagnetischer Stimulation wurden einzelne Bereiche des Gehirns kurzfristig moduliert, um den direkten Zusammenhang zwischen Struktur und Sprachfunktion des Gehirns zu untersuchen.

„Wir haben in den Messdaten gesehen, dass die Informationen zuerst im temporalen Kortex verarbeitet werden, danach im frontalen Kortex und dann anschließend wieder zurück im temporalen Kortex. Wir konnten also nachweisen, dass diese Areale bei der Sprachverarbeitung zusammenarbeiten.“, erklärt Joëlle Schroën, Erstautorin der Studie. „Und diese Zusammenarbeit erfolgt sehr schnell – innerhalb von Millisekunden werden die Sprachinformationen verarbeitet und übertragen, vermutlich über Faserbahnen der weißen Substanz, die die verschiedenen Hirnregionen miteinander verbinden“. Die Ergebnisse zeigen, dass eine zeitlich erstaunlich gut koordinierte Interaktion der verschiedenen Areale des Sprachnetzes die Grundlage für die menschliche Fähigkeiten bildet, Sprache schnell und effizient zu verarbeiten, was unsere alltäglichen Gespräche so einfach macht.

 

Weitere interessante Beiträge

Zur Redakteursansicht