Ehemalige Abteilung Neurophysik

Die ehemalige Abteilung Neurophysik wurde 2007 unter der Leitung von Prof. Dr. Robert Turner eingerichtet. Schwerpunkt der Forschung dieser Gruppe war es, Methoden zu entwickeln mit deren Hilfe Gehirnfunktionen sichtbar gemacht werden können. MR-Physiker arbeiteten eng mit Neuroanatomen, Experten für Bildanalyse, Ingenieuren und Neuropsychologen zusammen um dieses Ziel zu erreichen.

Physik in der Neurowissenschaft

In den vergangenen Jahren spielte die Physik eine Hauptrolle in der schnellen Entwicklung auf dem Gebiet der Kognitions- und Neurowissenschaften. Anfang der neunziger Jahre wurden von Wissenschaftlern in den USA, hier besonders in Boston, Minneapolis, Murray Hill und Washington, Methoden entwickelt, um Gehirnfunktionen sichtbar machen zu können. Diese, inzwischen weitverbreiteten, Methoden benutzen die magnetische Resonanzbildgebung (MRI) und werden funktionelle MRI (fMRI) genannt. Außerdem gelang es Physikern die Interpretation von Messungen des magnetischen Feldes, welches durch Gehirnaktivität generiert wird (MEG), in großem Maße zu verbessern. Die Physik elektromagnetischer Felder, nuklearer Spins und die Biophysik von Blut und Hirngewebe wurden zusammengefasst, um non-invasive Methoden zu schaffen, welche Gehirnaktivität räumlich innerhalb eines Millimeters und zeitlich innerhalb einer Millisekunde erkennen kann. Die Methoden erlauben die Erforschung tiefgreifender neuropsychologischer Fragestellungen, beispielsweise die Organisation menschlicher Gehirnfunktionen und die Beziehung zwischen Geist und Gehirn. Durch ein verbessertes Verständnis normaler Gehirnfunktionen erhofft man sich die Entwicklung empirisch basierter Behandlungsansätze für eine Anzahl von neurologischen und psychiatrischen Beschwerden.

Aus diesen Grund wurde am Max-Planck-Institut für Kognitions- und Neurowissenschaften in Leipzig die Abteilung Neurophysik eingerichtet. Um an die Grenzen bildgebender Verfahren in den Neurowissenschaften vorzustoßen (und sie eventuell zu sprengen) ist es notwendig, die Leistung von MR-Physikern mit denen von Neuroanatomen, Experten für Bildanalyse, Ingenieuren und Neuropsychologen zu verbinden. Die Abteilung verfügt über einen hochmodernen Hochfeldmagnetresonanztomographen. Dieser Tomograph ist für Humanstudien zugelassen und besitzt eine Feldstärke von 7 Tesla. Das ist mehr als die doppelte Feldstärke des stärksten Magnetresonanztomographen in klinischer Anwendung. Darüber hinaus nutzen die Wissenschaftler die weiteren Einrichtungen des Instituts, so beispielsweise ein MEG Gerät und zwei weitere 3 Tesla Magnetresonanztomographen.

Kartographie des Gehirns, funktionell sowie anatomisch

Die wichtigste Herausforderung ist es, folgende Frage zu beantworten: Welche neuen Erkenntnisse über Struktur und Funktion des menschlichen Hirns gewinnen wir mit Hilfe neuer Verfahren der Magnetresonanztomographie? Aufgrund der hervorragenden Sicherheitsstatistik der Magnetresonanztomographie können ihre Techniken problemlos mit freiwilligen Probanden erforscht werden. Die hohe Feldstärke erlaubt die Nutzung sehr hoher räumlicher Auflösung, so dass auch Strukturen von unter einem Millimeter Größe unterschieden werden können. Außerdem kann die Anordnung der weißen Substanz im Gehirn, die aus langen Hauptnervensträngen besteht, welche die einzelnen Gehirnregionen miteinander verbinden, mit größerer Genauigkeit erforscht werden. Die Veränderungen des MR-Bildsignals, die durch örtliche Gehirnaktivitäten erzeugt werden, können mit größerer Sensitivität und räumlicher Auflösung gemessen werden. So ergibt sich die Möglichkeit eines verbesserten und detaillierteren wissenschaftlichen Verständnisses des Zusammenspiels zwischen Funktionen und Strukturen im Gehirn.

Um passende Antworten auf die Frage "Welcher neuronale Bereich hat welche Funktion?" zu finden, hat sich die bildgebende Neurowissenschaft bislang auf die relativ lose Verbindung zwischen räumlicher Lage, Aufbau des Kortex und der histologischen Analyse der Zellstruktur in Gehirnproben (wie die von Brodmann (1909)) verlassen. Jetzt erkennen wir, dass viele Gebiete grauer Substanz beim Scannen mittels Magnetresonanztomographie ein charakteristisches Erscheinungsbild zeigen. So wird uns erlaubt, mit großer Präzision den neuronalen Träger bestimmter Gehirnprozesse zu finden. Das Ziel, viele dieser Areale zu kartieren, um den individuelle Aufbau der grauen Substanz zu erforschen, ist in Sicht.

Außerdem können Veränderungen in der Gehirnstruktur, wie zum Beispiel die Dicke der grauen Gehirnmasse, von der bekannt ist, dass sie sich mit wiederholten Erfahrungen und Übung verändert, sehr viel einfacher als bei niedrigeren Magnetfeldern untersucht werden.

Technische Voraussetzungen

Die bestmögliche Nutzung dieser leistungsstarken Geräte bedarf neuer Bildgebungstechniken, neuer Hardware und großer Umsicht im Hinblick auf die Sicherheit der Probanden. Bei normaler Feldstärke gibt es anerkannte und hochwirksame Sicherheitsstandards. Der Kontakt mit Magnetfeldern hoher Stärke zeigt keine schädlichen Nebenwirkungen. Dies wurde mit einer großen Anzahl von Probanden weltweit ausgiebig getestet und es gibt keinen physikalischen Grund, Nebenwirkungen zu erwarten. Bei hohen magnetischen Feldern gibt es jedoch einen Sicherheitsaspekt für den die Medizintechnik noch eine passende Vorgehensweise entwickeln muss. Um Bilder mittels Magnetresonanztomographie zu erzeugen, muss die Magnetisierung der Protonenspins in den Wassermolekülen im Gewebe angeregt werden. Dazu werden hochfrequente Impulse benötigt, welche im Prinzip das Gehirngewebe erwärmen können. Die sorgfältigen Schutzmaßnahmen von Seiten der Hersteller von Medizintechnik müssen bei hoher Feldstärke durch Berechnung des elektromagnetischen Feldes ergänzt werden, um eine sichere Anwendung des Magnetresonanztomographen zu gewährleisten. Diese Berechnungen helfen dabei auch, die effizientesten Techniken zu Untersuchung zu finden. Der Abteilung Neurophysik gehören zur vollen Ausschöpfung ihrer Möglichkeiten auch Experten für Radiofrequenzmodellierung und Hardware an.

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