Depression im Alter: Rauchen und andere Risikofaktoren sind weniger entscheidend
Rauchen, Bluthochdruck, Diabetes und andere Risikofaktoren für Herz-Kreislauferkrankungen erhöhen auch die Wahrscheinlichkeit eine depressive Verstimmung oder Depressionen zu erleiden. Bislang war jedoch unklar, ob sich dieser Einfluss im Laufe des Lebens verändert oder unabhängig vom Alter ist. Eine Studie des Max-Planck-Instituts für Kognitions- und Neurowissenschaften und der Universität Münster zeigt: Bei den über 65-Jährigen spielen diese Risikofaktoren eine geringere Rolle im Zusammenhang mit Depressionen als bei den Jüngeren.
Wer raucht, an hohem Blutdruck, Übergewicht und Diabetes leidet, ist nicht nur einer höheren Gefahr ausgesetzt, einen Schlaganfall, Herzinfarkt, oder Demenz zu erleiden. Für ihn steigt auch das Risiko, von einer depressiven Verstimmung oder Depression betroffen zu sein. Je mehr Risikofaktoren eine Person dabei erfüllt, desto wahrscheinlicher wird das. Bislang war jedoch unklar, ob diese Wahrscheinlichkeit auch von ihrem Alter abhängt. Frühere Studien hatten bereits für andere Krankheiten wie Demenz oder einen Schlaganfallgezeigt, dass eine Kombination mehrere Risikofaktoren im Alter zwischen 40 und 65 Jahren häufiger dazu führen, dass die Krankheit ausbricht, als im hohen Alter. Bislang war jedoch unklar, ob das auch für Depressionen gilt.
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Kognitions- und Neurowissenschaften (MPI CBS) in Leipzig und der Universität Münster haben nun herausgefunden: Wie stark Rauchen und andere Risikofaktoren die Gefahr erhöhen, eine depressive Verstimmung zu erleiden, hängt auch vom Alter ab. Demnach leiden Personen im Alter zwischen 50 und 80 Jahren, die mehrere der kritischen Punkte erfüllen, also etwa rauchen und übergewichtig sind, häufiger an einer depressiven Stimmung als jene, die weniger Risikofaktoren ausgesetzt sind. Allerdings zeigte sich auch, dass bei risikobelasteten Personen zwar die depressiven Verstimmungen im mittleren Alter besonders stark ausfallen, mit zunehmendem Alter aber wieder abnehmen.
„Die Risikofaktoren führen auch zu Veränderungen der Hirnstruktur“, erklärt Maria Blöchl vom MPI CBS und der Universität Münster und Erstautorin der zugrundeliegenden Studie, eine mögliche Ursache für den Zusammenhang zwischen Risikofaktoren und Depressionen. „Verändern sich dabei Regionen, die für die Emotionsregulation zuständig sind, verschlechtert sich vermutlich die Stimmung der Betroffenen und das kann schließlich zu Depressionen führen.“ Dazu komme vermutlich eine psychologische Komponente. Demnach führen diese Faktoren in der Regel zu körperlichen und psychischen Belastungen, die dann wiederum in eine depressive Verstimmung führen können. „Der Gesundheitsstatus ist dann allgemein oft nicht besonders gut, man nimmt mehr Medikamente. Das ist psychologisch oft belastend.“
Warum der Einfluss der Risikofaktoren auf Depressionen und andere Krankheiten im höheren Alter abnimmt, kann ebenfalls verschiedene Gründe haben. Auch hier könnte einer psychologisch bedingt sein. „Frühere Forschung hat gezeigt, dass ältere Menschen besser mit Stress umgehen können. Bestimmte Auswirkungen von Risikofaktoren wie Bluthochdruck auf die Stimmung sind dadurch womöglich gar nicht mehr so ausgeprägt“, sagt Blöchl. Zudem könnten die Betroffenen mit bereits vorhandenen Leiden besser umgehen und sähen im Vergleich mit Gleichaltrigen, es geht ihnen womöglich gar nicht so schlecht. „Das kann zu einem anderen Umgang mit Krankheitssymptomen führen und depressive Verstimmungen verhindern.“
Ein anderer Grund könnte medizinischer Natur sein: Schwerwiegende Erkrankungen wie Demenz, die häufig im Alter auftreten, lassen schon einige Jahre vor dem Auftreten der Erkrankung den Blutdruck sinken und damit auch die Gefahr, die von einem erhöhten Blutdruck ausgeht. Zusätzlich dazu werden Erscheinungen wie Diabetes oder Bluthochdruck im höheren Alter meist mehr und intensiver behandelt als im mittleren Alter. Und schließlich: Viele Personen, die im mittleren Alter einer Fülle von Risikofaktoren ausgesetzt waren, sind womöglich bereits verstorben.
Untersucht haben die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler diese Zusammenhänge mithilfe der Längsschnittstudie „English Longitudinal Study of Ageing“, an der in Großbritannien über 12 Jahre hinweg mehr als 18 000 Personen teilgenommen haben. Für die vorliegenden Ergebnisse werteten sie die Daten von mehr als 7000 über 50-Jährigen aus, die bislang keinen Herzinfarkt, Schlaganfall, oder Demenz erlitten haben. Als Risikofaktoren betrachteten sie dabei Bluthochdruck, Rauchen, Diabetes, Adipositas und einen erhöhten Cholesterinspiegel. Bei denen erfassten sie aller zwei Jahre das Ausmaß der depressiven Verstimmung und berechneten daraus den Verlauf depressiver Symptome in Abhängigkeit von Risikofaktoren und Alter. Dafür nutzten sie Wachstumsmodelle, in denen sie sich die Entwicklung einzelner Personen über die Jahre hinweg berechneten. Schließlich ergibt sich daraus eine individuelle Verlaufskurve für jede Person, deren unterschiedliche Verläufe man erklären kann, indem man Risikofaktoren hinzu- oder herausnimmt. Der Einfluss von Geschlecht und Bildung wurde entsprechend herausgerechnet.