Nichtinvasive Hirnstimulation zeigt deutliche Effekte auf motorische Störungen nach Schlaganfall
Anhaltende Lähmungen und Koordinationsstörungen gehören zu den häufigsten Folgeerscheinungen eines Schlaganfalls. Wissenschaftler des MPI CBS, der Universitätsmedizin Halle und der Charité-Universitätsmedizin Berlin haben nun herausgefunden, dass eine Stimulation des Gehirns mit Gleichstrom, der über auf dem Kopf angebrachten Elektroden angelegt wird, deutliche Effekte auf beeinträchtigte Bewegungen hat. Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass diese Effekte schon während einer Anwendung zwar ausgeprägt, aber viel komplexer als bisher angenommen sind. Die Wissenschaftler weisen darauf hin, dass eine passgenaue, individuelle Anwendung Voraussetzung für einen positiven Effekt dieser Therapiemethode auf Schlaganfallsymptome ist.
Armlähmungen treten häufig infolge einer Hirnschädigung auf, wie zum Beispiel nach einem Schlaganfall. Die Betroffenen können ihren Arm oftmals im Alltag gar nicht oder nur sehr eingeschränkt einsetzen. Die Basis dieser Symptome sind ausgeprägte Veränderungen der Physiologie und Struktur des Gehirns. Diese Veränderungen resultieren aus der direkten Schädigung durch den Schlaganfall, erstrecken sich aber auch auf andere Hirnregionen. „Grundlage der Veränderungen sind sowohl reparative Hirnprozesse als auch Verhaltensmuster der alltäglichen Aktivitäten nach dem Schlaganfall. Mithilfe der transkraniellen Gleichstromstimulation (tDCS) kann man diese Veränderungen im Gehirn beeinflussen. Die Ströme dringen in das Hirngewebe ein, wo sie eine lokal erregende oder hemmende Wirkung ausüben“, erklärt Bernhard Sehm, Forschungsgruppenleiter am Max-Planck-Instituts für Kognitions- und Neurowissenschaften in Leipzig (MPI CBS) und Oberarzt der Universitätsklinik und Poliklinik für Neurologie der Universitätsmedizin Halle. Welche Ergebnisse die Methode bei der Rehabilitation von SchlaganfallpatientInnen erzielen kann, haben er und Toni Muffel (Charité Berlin) in einer klinischen Studie untersucht und ihre Ergebnisse im Journal „Brain Stimulation“ veröffentlicht.
„An unserer Studie haben 24 PatientInnen teilgenommen, die in ihrer Mobilität durch den Schlaganfall sehr eingeschränkt waren. In unserem Labor haben wir ein speziell auf die PatientInnen anpassbares Robotersystem, eine Art Exoskelett, mit dem es ihnen möglich ist, den gelähmten Arm zu bewegen und Aufgaben in einer virtuellen Umgebung auszuführen“, erklärt Toni Muffel, Erstautor der Studie, den Ablauf. Während die PatientInnen mit den virtuellen Objekten interagiert haben, wurde über Elektroden auf der Kopfhaut ihr Gehirn stimuliert. „Parallel haben wir die Effekte gemessen – also wie gut oder schlecht die Hirnstimulation den TeilnehmerInnen bei der Aufgabenbewältigung geholfen hat.“
Das Ergebnis: Die Hirnstimulation hat einen deutlichen Effekt auf die betroffenen Hirnbereiche, die sich nach dem Schlaganfall verändert haben. „Unsere Messmethode mit dem Robotersystem erlaubt es, unterschiedliche motorische Funktionen gleichzeitig zu messen und so ein umfassendes Bild der Stimulationseffekte zu gewinnen. Die Daten zeigen, dass sensomotorische Funktionen des gelähmten Arms deutlich durch tDCS beeinflusst werden“, erläutert Bernhard Sehm.
„Wir konnten jedoch kein einheitlich vorteilhaftes Muster identifizieren. Stattdessen variierten die Veränderungen in den Hirnbereichen in Abhängigkeit von der Aufgabe und der Elektrodenanordnung. Das bedeutet, dass in Zukunft Patienten vor einer Behandlung mit Hirnstimulation genau untersucht werden müssen, um eine zielgerichtete und individualisierte Anwendung zu ermöglichen. Dann hat diese einfache, aber vielversprechende Methode eine Zukunft für eine bessere Patientenversorgung“, schlussfolgert der Wissenschaftler.