Otto-Hahn-Medaille für Rachel Zsido und Markus Frey

13. Juni 2024

Die Max-Planck-Gesellschaft ehrt jedes Jahr junge WissenschaftlerInnen mit der Otto-Hahn-Medaille für herausragende wissenschaftliche Leistungen. In diesem Jahr erhielten Rachel Zsido aus der Abteilung Neurologie und Markus Frey aus der Abteilung Psychologie vom Max-Planck-Institut für Kognitions- und Neurowissenschaften (MPI CBS) zwei der begehrten Auszeichnungen. Hier beantworten sie im Kurzinterview drei Fragen zu ihrer Forschung.

 

Ihre Dissertation wurde gerade mit der Otto-Hahn-Medaille ausgezeichnet. Was macht Ihre Arbeit so besonders?

Rachel Zsido: 

Mein Thema war: „Eierstockhormone beeinflussen die Struktur, Funktion und Chemie des Gehirns: Ein neuropsychiatrischer Rahmen für die Gesundheit des weiblichen Gehirns.“ Ich versuche, darin diese Fragen zu beantworten: Wie formen reproduktives Altern und Sexualhormone die Gehirnstruktur, -funktion und -chemie über die gesamte Lebensspanne hinweg, und kann uns dies helfen, das Risiko für Depression und Demenz besser zu verstehen? Die Unterrepräsentation von Frauen in den Neurowissenschaften schränkt die Möglichkeiten für grundlegende wissenschaftliche Entdeckungen direkt ein; und ohne grundlegende Kenntnisse über die biologischen Grundlagen der Geschlechtsunterschiede können wir kritische geschlechtsbedingte Unterschiede in der Pathologie nicht angehen.

Markus Frey: 

Meine Dissertation behandelt die Schnittstelle zwischen maschinellem Lernen und den Neurowissenschaften und exploriert, welche Möglichkeiten es für eine interdisziplinäre Zusammenarbeit gibt. Forschende im Bereich des maschinellen Lernens schauen auf die Neurowissenschaften, um Inspirationen für den Bau intelligenter Maschinen zu erhalten, und die Neurowissenschaften nutzen die im maschinellen Lernen entwickelten Werkzeuge zur Untersuchung ihrer Datensätze. In meiner Forschung untersuchte ich, wie diese Modelle genutzt werden können, um Datensätze, wie zum Beispiel von fMRI oder Elektrophysiologie-Experimenten, zu erklären.

In einem meiner Projekte waren wir an Daten interessiert, die aus Studien mit funktioneller Magnetresonanztomographie (fMRT) stammen. Ein Verhalten, das uns besonders interessiert, ist die Bewegung der Augen über den Bildschirm, welche wir normalerweise mit einem Eyetracker verfolgen. Ich entwickelte ein System, welches die Augenbewegungen der Studienteilnehmer ohne zusätzliche Hardware verfolgt, indem es sich ausschließlich auf das MR-Signal der Augenbewegungen verlässt. Im Vergleich zu einem speziellen Eyetracker ist unsere Methode kostenlos. Darüber hinaus kann sie auf bereits vorhandene Datensätze angewendet werden, für die keine Eye-Tracking-Daten verfügbar waren, und funktioniert auch, wenn die Augen der Teilnehmer geschlossen sind.

In weiteren Projekten konnte ich zeigen, wie neuronale Netzwerke verwendet werden können, um zu erklären, wie das Gehirn sensorische Informationen verarbeitet, mithilfe derer wir eine stabile, bewegungsunabhängige innere Karte der Welt um uns herum zu erstellen. Dies zeigt, dass wir neuronale Netzwerke in den Neurowissenschaften verwenden können, um nicht nur Daten zu analysieren sondern auch um neuronale Prozesse zu erklären.

 

Was ist Ihre Motivation, sich genau mit diesem Thema zu beschäftigen?

Rachel Zsido: 

Angesichts einer rasch alternden Bevölkerung und des derzeitigen Mangels an präventiven therapeutischen Optionen ist es von entscheidender Bedeutung, dass wir Strategien entwickeln, die ein gesundes kognitives Altern während des gesamten Lebens unterstützen. Entscheidend ist, dass zwei Drittel der Alzheimer-Patienten Frauen sind, was durch die Langlebigkeit allein nicht zu erklären ist, und dass das Risiko während des Übergangs zur Menopause zunimmt. Darüber hinaus sind schwere depressive Störungen ein unabhängiger Risikofaktor für die Alzheimer-Krankheit und treten bei Frauen doppelt so häufig auf - ein Geschlechtsunterschied, der sich bereits im frühen Erwachsenenalter zeigt. Da die Alzheimer-Pathologie Jahrzehnte vor den klinischen Symptomen im späteren Leben auftritt, kann das Verständnis der gemeinsamen Pathophysiologie und der Geschlechtsunterschiede bei Alzheimer (im Zusammenhang mit dem reproduktiven Altern) wichtige Hinweise für die Früherkennung und Prävention von Alzheimer liefern.

Markus Frey:

Wir leben immer noch in einer Zeit, in der viele grundlegende Fragen zur Funktionsweise des Gehirns unbeantwortet bleiben. Diese Fragen anzugehen und das globale Wissen über unser Gehirn zu vertiefen, ist unglaublich motivierend und nicht nur relevant für die Neurowissenschaften. Das Gehirn ist ein Großteil davon, was uns zum Menschen macht, und das Verständnis darüber wird uns in der Zukunft helfen, weitere Krankheiten zu heilen aber auch das menschliche Miteinander - leider oft auch Gegeneinander - besser zu verstehen und einzuordnen. Zudem eröffnet es neue Möglichkeiten für neue Technologien und Therapien, die unser tägliches Leben verbessern können.

 

Die preisgekrönte Dissertation ist in der Tasche. Was kommt als nächstes?

Rachel Zsido:

Während meiner Postdoc-Zeit an der Harvard Medical School und dem Massachusetts General Hospital möchte ich herausfinden, wie pränatale Immunprogrammierung, Sexualhormone und Stressschaltkreise im Gehirn zusammenwirken und zur gemeinsamen Pathophysiologie beitragen, die drei chronischen Krankheiten zugrunde liegt: Depression, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Alzheimer.

Markus Frey:

Neben der Weiterentwicklung von Werkzeugen des maschinellen Lernens möchte ich die Evolution oben genannter kognitiver Prozesse weiter aufdecken und idealerweise verstehen, warum diese Prozesse bei neurodegenerativem Krankheiten gestört sind. Interessanterweise sind die Gehirnareale, welche für die räumliche Wahrnehmung zuständig sind, als erstes von Alzheimer betroffen. Dies kann es ermöglichen, Therapien zu entwickeln, welche individualisert auf jeden Patienten angepasst werden können.

Darüberhinaus möchte ich die neuronalen Netzwerke, die wir dafür verwenden, grundlegender untersuchen und verstehen. Forschende im maschinellen Lernen sind oft mehr daran interessiert, die Leistung ihrer Modelle zu steigern, anstatt an dem Verständnis dieser Modelle zu arbeiten. Glücklicherweise eröffnet dies Möglichkeiten, bei denen ein neurowissenschaftlicher Hintergrund von Vorteil ist, und ich freue mich darauf, in Zukunft mehr dieser Fragen zu erforschen.

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