Tanz der Neurone: Hirnforschung inspiriert Kindertheater

15. Februar 2018

Wie lernen wir eigentlich Sprache? Wie erfahren wir, was ein Baby weiß, ohne dass es uns das mitteilen kann? Und wie sieht eigentlich unser Gehirn aus? Diesen und anderen Fragen sind heute 24 Kinder im Alter zwischen 10 und 13 Jahren des Theaterprogramms „Alles Kopfsache?!“ des Theater der Jungen Welt am Max-Planck-Institut für Kognitions- und Neurowissenschaften (MPI CBS) in Leipzig nachgegangen. Inspiriert durch ihre heutigen Eindrücke aus der Hirnforschung erarbeiten sie nun gemeinsam mit einer Choreographin kleine Tanz- und Theaterszenen, in denen sie das Gesehene einfließen lassen.

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Claudia Männel erklärt den 10- bis 13-jährigen Theaterschülern, im Babylabor des MPI CBS wie Hirnforscher das Wissen von Babys untersuchen - ohne die Kleinen selbst fragen zu können. Foto: MPI CBS

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Im MRT-Bereich erfahren die Schüler, wie die Neurowissenschaftler die anantomischen Strukturen des Gehirns untersuchen. Foto: MPI CBS

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Daniela Sammler und ihr Begleiter Hirni, ein Plüschneuron, erklärte den Schülern, wie unser Gehirn überhaupt funktioniert und sich seine rund hundert Milliarden Nervenzellen miteinander ihre Informationen austauschen. Foto: MPI CBS

Aus dem Hintergrund tönt „Das ist ein Gopa“ und „Hier sehen wir einen Keibel“, am Bildschirm flackern parallel dazu Fantasieobjekte auf. „Das ist die Lernphase“, erklärt Claudia Männel vom Max-Planck-Institut für Kognitions- und Neurowissenschaften in Leipzig. „Hier lernen die Kleinen, die Objekte mit den Wörtern zu assoziieren.“ Um die Hirnforscherin herum liegen Plüschtiere, hängen bunte Mobile von der Decke und kleben bunte Bilder an den leuchtend gelben Wänden.

Vor Männel hocken und stehen gespannt zwölf Kinder zwischen 11 und 13 Jahren, junge Teilnehmer und Teilnehmerinnen des Theaterkurses „Alles Kopfsache?“, der aktuell am Theater der Jungen Welt stattfindet und sich kreativ Themen wie Gedanken, Träumen oder Reizen nähert. Heute erfahren sie im Babylabor des MPI CBS beispielsweise, wie Neurowissenschaftler untersuchen, was Babys bereits wissen und welche Wörter sie bereits verstehen. „Wir können die Kleinen ja noch nicht selbst fragen, ob sie bereits einen Apfel von einer Birne unterscheiden können“, gibt Männel zu bedenken. „Aber wir können in gewissem Maße herausfinden, was die Kinder bereits verstehen und wissen“, erzählt sie während sie eine kleine Mütze, an der Kabel und Elektroden baumeln, aus der Schublade zieht. „Das ist eine EEG-Haube. EEG steht für Elektroencephalographie, also eine Methode, mit der wir die Hirnaktivität messen können. Haben die kleinen die Kappe aufgesetzt, können wir so grob messen, was das kleine Gehirn schon verarbeiten kann.“ Anhand bestimmter Hirnaktivitäten der Kleinen erkennen die Hirnforscher dann beispielsweise, ob sie die Assoziation zwischen dem Fantasieobjekt und ihren frei erfundenen Bezeichnungen, etwa Gopa und Keibel, gelernt haben.

Neben diesen Einblicken in die Sprach- und Wissensforschung bei Kleinkindern erfuhren die jungen Theaterschüler von Daniela Sammler und ihrem Begleiter Hirni, einem Plüschneuron, wie unser Gehirn überhaupt funktioniert und sich seine rund hundert Milliarden Nervenzellen miteinander ihre Informationen austauschen. „Bei der Kommunikation von Neuronen sind viele kleine Boten unterwegs. Ein elektrisches Signal in einem Neuron öffnet in ihm eine Menge Türen, durch die diese Botenstoffe freikommen. Sie schwimmen schnell zum nächsten Neuron und setzen das elektrische Signal dort fort“, erklärt Daniela Sammler vor staunenden Kinderaugen. Es sei unglaublich beeindruckend gewesen, welche Faszination das Gehirn und seine Fähigkeiten bei den Kindern ausgelöst haben, so die Neurowissenschaftlerin begeistert. Regelrechte Löcher hätten ihr die jungen Zuhörer in der anschließenden halbstündigen Fragerunde in den Bauch gefragt.

Wie diese anatomischen Strukturen unseres Denkorgans genau untersucht werden, erfuhren die Schüler dann auf ihrer Tour durch die MRT-Labore des MPI CBS. Als krönenden Abschluss nahm sie schließlich ein 3D-Film auf eine dreidimensionale Reise entlang der Faserverbindungen durch unser Gehirn, den eigentlichen Datenautobahnen unseres Denkorgans.

„Besonders inspirierend ist für mich der Gedanke, dass das Gehirn nur dann echte Aktivitäten ausführen kann, wenn große Mengen an Neuronen zusammen aktiv sind. Ich könnte mir gut vorstellen, das in einem Tanz der Neurone umzusetzen“, so Tanja Matjas, Theaterpädagogin am Theater der jungen Welt.

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