Ärger oder Schmerz?

Wie das Gehirn von Babys Gesichtsausdrücke verarbeitet

8. April 2014



Bei den Babys dagegen fehlt diese frühe Verarbeitung noch. Bei ihnen ist die Verarbeitung erst in einer späteren Phase zu sehen. Auch der Vergleich der späteren Verarbeitungsphase zeigt Unterschiede zwischen den Altersgruppen. Die EEG-Kurven der Erwachsenen veranschaulichen hier, dass der Ausdruck von Schmerz intensiver verarbeitet wird als der von Ärger. Dies ist sichtbar an den Amplitudenausschlägen des late positive potentials (LPP) (Abb. 2). „Vermutlich liegt das daran, dass in dieser Verarbeitungsphase des Schmerzausdrucks mehr Evaluierungsprozesse ablaufen. Das geschieht zum einen, um die Situation und den Kontext zu deuten, zum anderen scheint der Ausdruck von Schmerz mit einer stärkeren Erregung einher zu gehen, sodass eine intensivere Verarbeitung im Gehirn sichtbar ist.“, erläutert Wissenschaftlerin Missana die Befunde. Die Selbsteinschätzungen der Teilnehmer zeigen zudem, dass schmerzverzerrte Gesichter als stärker erregend empfunden wurden, als der Ausdruck von Ärger.

Anders bei den Babys: hier zeigen die Messkurven eine intensivere Verarbeitung ärgerlicher Gesichtsausdrücke an. (Abb.3) Der Ausdruck von Schmerz wird also von Ärger unterschieden und differenziert verarbeitet. Die Aufmerksamkeitsprozesse der Babys lagen dabei verstärkt auf der Verarbeitung der Anzeichen für Ärger in der Mimik des Gegenübers. Die aufgezeichneten Hirnantworten belegen, dass Babys wie auch Erwachsene eindeutig zwischen Schmerz und Ärger im Gesicht unterscheiden können. Dieser Befund stützt die These, dass Babys früh lernen auch zwischen verschiedenen negativen Gesichtsausdrücken zu unterschieden.

Es gibt jedoch nicht nur Verarbeitungsunterschiede zwischen Erwachsenen und Babys, sondern auch innerhalb der Altersgruppen. Mit Hilfe der Fragebögen konnten die Wissenschaftler zeigen, dass Persönlichkeitsmerkmale einen Einfluss darauf haben, wie ärgerliche Gesichter verarbeitet werden. Insbesondere die Fähigkeit zur Perspektivenübernahme, dass heißt die Fähigkeit, sich in andere hineinzuversetzen, scheint hier ausschlaggebend zu sein. Bei den Babys korrelierten die durch den Fragebogen ermittelten Fähigkeiten zur Selbstregulierung mit der Sensitivität für ärgerliche Gesichter: Je besser die Babys also ihre eigenen Emotionen regulieren konnten (z.B. sich selbst beruhigen), desto höher war ihre Sensitivität für mimische Anzeichen von Ärger.

Die Hirnprozesse die durch die Wahrnehmung von Schmerz und Ärger in Gang gesetzt werden, scheinen sich demnach stark zwischen Erwachsenen und Babys zu unterscheiden. Dies deutet darauf hin, dass obwohl die grundlegende Fähigkeit zwischen den Ausdrücken zu unterscheiden bereits bei Babys vorhanden ist, deren Auswirkungen auf bestimmte Prozesse die unter anderem mit Empathie in Verbindung gebracht werden, jedoch noch nicht ausgreift sind.

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