MRT-Fluktuationen: Spontane elektrische Rhythmen im Gehirn liefern Erklärung

Studie zeigt systematische Wirkung auf die mit fMRT gemessene Hirnaktivität. Neue Erkenntnisse könnten Grundlagen für neue Therapien und bessere Bildgebung schaffen.

15. August 2011

Bei Untersuchungen mit einer der wichtigsten bildgebenden Methoden der Hirnforschung, der funktionellen Magnetresonanztomographie (fMRT), kommt es immer wieder zu Fluktuationen in der gemessenen Hirnaktivität, die bisher nicht erklärt werden können. Forscher des Leipziger Max-Planck-Instituts für Kognitions- und Neurowissenschaften und der Berliner Charité konnten nun zeigen, dass bestimmte elektrische Hintergrundrhythmen des Hirns, die so genannten Alpha-Oszillationen, systematisch fMRT-Signale verändern, die bei der Verarbeitung visueller Reize auftreten. Dafür nutzten sie einen neuartigen Ansatz, bei dem schnell wechselnde Hirnströme, die der Tomograph nicht erfassen kann, mit simultaner Elektroenzephalographie (EEG) gemessen wurden. Es zeigte sich dabei auch, dass die Stärke der Oszillationen die Reaktionszeit von Probanden beeinflusst. Diese neuen Erkenntnisse könnten sowohl für die Optimierung der fMRT-Bildgebung nützlich sein, als auch neue Ansätze für gezielte, therapeutisch wirksame Manipulation der Hintergrundaktivität liefern.

Wahrscheinlich hat kein Verfahren die moderne Hirnforschung so sehr geprägt wie die funktionelle Magnetresonanztomographie (fMRT). Wohl jeder kennt die Bilder mit den farbig markierten Aktivitätsveränderungen. Die gute räumliche Auflösung von fMRT und der Vorteil, gänzlich ohne radioaktive Strahlenbelastung für die Testpersonen auszukommen, hat die Methode inzwischen unverzichtbar gemacht. Doch sie hat auch Schwächen. Der Hirnscanner fängt neben dem eigentlichen Hirnsignal auch jede Menge „Rauschen“ auf, also Signale, die für die eigentliche Kognition irrelevant sind. Häufig passiert es, dass bei derselben Person und Aufgabe ganz unterschiedliche Hirnaktivität gemessen wird. Zu beurteilen, ob solche Signalveränderungen auf die eigentlichen kognitiven Reaktionen des Gehirns zurückzuführen sind oder auf andere Rausch-Signale, die der Hirnscanner auffängt, ist schwierig. Das hat der fMRT-Bildgebung einen teils zweifelhaften Ruf eingebracht. Kritik am zu sorglosen Umgang mit den „Bildern aus dem Hirn“ wird immer wieder laut.

„Die fMRT-Daten spiegeln meist mehrere Prozesse gleichzeitig wieder“, sagt Petra Ritter, Leiterin der Minerva-Forschungsgruppe „Hirnzustände“ am Leipziger Max-Planck-Institut für Kognitions- und Neurowissenschaften. Technische Faktoren, aber auch Herzschlag und Atmung können das Messergebnis verändern, erklärt die Medizinerin die auch Koordinatorin des Bernstein Fokus „Zustandsabhängigkeiten des Lernens“ ist und an der Berliner Charité forscht. Gerade, weil die suggestiven fMRT-Bilder dazu verleiten können, falsche Zusammenhänge herzustellen, sei es wichtig, passende Verfahren anzuwenden, um Störquellen mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit auszuschließen.

Die Forscherin verfolgt einen neuartigen Ansatz, der besseren Durchblick im Datenrauschen verspricht: die simultane Messung mit fMRT und EEG. Mithilfe des EEG identifizieren die Wissenschaftler in Echtzeit, also während der Messung statt wie üblich erst danach, Fluktuationen elektrischer Oszillationen im Gehirn. Auf diese Weise gelang es Ritter gemeinsam mit ihrem Mitarbeiter Robert Becker und weiteren Kollegen, die bislang offene Frage zu beantworten, ob, neben dem nicht-neuronalen Rauschen, auch die Fluktuation der neuronalen Hintergrundaktivität das fMRT-Signal verändert. Die Forscher untersuchten dabei den Einfluss der sogenannten Alpha-Oszillationen. Im Alpha-Rhythmus schwingen die Neuronen des visuellen Systems, wenn sich ein Mensch im entspannten Wachzustand befindet. Immer dann im Experiment, wenn das EEG bei den Versuchspersonen im MRT-Scanner besonders starke Alpha-Aktivität anzeigte, wurde ihnen ein optischer Reiz präsentiert. Es zeigte sich, dass die Alpha-Rhythmen systematisch die fMRT-Signalantwort auf den Reiz veränderten und somit für deren Variabilität mitverantwortlich waren. Zudem beeinflusste die Stärke der Alpha-Oszillationen die Reaktionszeit der Probanden auf die Reize.

„Das sind wichtige Erkenntnisse, um neuronale Mechanismen zu verstehen, die die Grundlage variabler Gehirnsignale und damit die Basis variablen Verhaltens bilden können“, sagt Becker. Sie erklären etwa, warum Versuchspersonen während konstant gehaltener Versuchsanordnung unterschiedliche Reiz-Antworten oder sogar unterschiedliches Verhalten aufweisen. Sie zeigen zugleich das Potential der fMRT/EEG-Kombination auf, deren Möglichkeiten vom Echtzeit-Monitoring der Hintergrundaktivität bis zu deren gezielter Manipulation reichen, mit der Mediziner therapeutisch wirksame Verhaltensänderungen hervorrufen könnten.
Kurzinfo fMRT/EEG: Simultane fMRT/EEG-Messungen sind nicht einfach, weil das Magnetfeld des Tomographen die EEG-Signale beeinflusst. Es lohnt sich aber, diese Probleme zu lösen, denn die beiden Techniken ergänzen sich hervorragend. fMRT ist ein räumlich sehr genaues, aber langsames Verfahren, das mit einer gewissen Verzögerung aus Veränderungen des Blutflusses im Gehirn auf die neuronale Aktivität schließt. Dagegen lassen sich mit EEG direkt und auf die Millisekunde genau elektrische Schwingungen der Nervenzellen aufzeichnen, deren Quelle jedoch nur sehr grob lokalisierbar ist.

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