Innovative Schlaganfall-Diagnose besteht Praxistest

Wissenschaftler aus Leipzig und Berlin entwickeln schonenderes Verfahren

27. März 2013

Bei einem Verdacht auf akuten Schlaganfall wird in den meisten Fällen eine sogenannte Perfusionsmessung des Gehirns durchgeführt. Durch eine solche Messung können quantitative Aussagen über die regionale Durchblutung des Hirngewebes gewonnen werden. Das Kontrastmittel, das dazu ins Blut gespritzt wird, führt bei manchen Menschen jedoch zu ernsten Nebenwirkungen. Forscher des Leipziger Max-Planck-Instituts (MPI) für Kognitions- und Neurowissenschaften und der Charité – Universitätsmedizin Berlin haben nun ein neues Verfahren entwickelt, mit dem sich gleichwertige Informationen auch aus Messungen ohne Kontrastmittel gewinnen lassen. Die Ergebnisse einer ersten Studie wurden nun in der Fachzeitschrift Annals of Neurology veröffentlicht.

Klagt ein Patient über plötzlich auftretende Kopfschmerzen, Lähmungserscheinungen, Sprach- oder Sehstörungen, kann dies auf einen Schlaganfall hindeuten. Die Ursache ist in den meisten Fällen eine Durchblutungsstörung im Gehirn, die das unterversorgte Gewebe absterben lässt. In einem Zeitfenster von einigen Stunden können die Schäden durch geeignete Maßnahmen begrenzt werden. „Die schnelle Diagnose und Lokalisierung der betroffenen Gebiete ist daher entscheidend, um das Schlimmste zu verhindern“, erklärt Professor Arno Villringer, Direktor der Abteilung Neurologie am Leipziger MPI und zugleich Honorarprofessor an der Charité und Principal Investigator am dort angesiedelten Exzellenzcluster Neurocure.

Für die Diagnose wird derzeit in den meisten Fällen eine Perfusionsmessung mithilfe eines Kontrastmittels durchgeführt, dessen Verteilungsgeschwindigkeit im Gewebe per Computer- oder Magnetresonanztomographie erfasst wird. Ende der achtziger Jahre gehörte Villringer selbst zu den Forschern, die die Grundlage für dieses Verfahren schufen. Allerdings könne das Kontrastmittel bei manchen Patienten zu Komplikationen führen, etwa zu allergischen Reaktionen oder einer Überlastung der Nieren. Zudem sind die eingesetzten Mittel für die Kliniken sehr teuer. "Ein Verfahren ohne Kontrastmittel würde also erhebliche Vorteile bringen“, betont Villringer.

Dr. Daniel Margulies, Leiter der Max-Planck-Forschungsgruppe "Neuroanatomie und Konnektivität" und Erstautor der Studie, hat nun ein Analyseverfahren entwickelt, bei dem zeitliche Schwankungen des sogenannten BOLD-Signals aufgezeichnet werden. Auf diesem Signal, durch welches man Durchblutungsänderungen im Gehirn sichtbar machen kann, basiert auch das bekannte Verfahren der funktionellen Magnetresonanztomographie (fMRT), mit dem meist auf die Hirnaktivität eines Probanden bei bestimmten Aufgaben geschlossen wird. Für das neue Verfahren wird der fMRT-Scan durchgeführt, während sich das Hirn im Ruhezustand befindet. Dabei versuchen die Forscher, durch Analyse von Verzögerungen im BOLD-Signal pathologische Veränderungen der Gehirndurchblutung zu erkennen.

In einer ersten klinischen Studie wurde diese Analysemethode nun erprobt. Dafür untersuchten die Wissenschaftler 11 Patienten, die einen Tag zuvor einen Schlaganfall erlitten hatten. Das Ergebnis der detaillierten Auswertungen, die Villringers und Margulies’ Doktorandin Yating Lv durchführte, verglichen die Forscher mit Bildern der Patientengehirne, die unabhängig davon mit Kontrast-Perfusionsmessung erzeugt wurden. Diese Bilder lieferten Mitarbeiter der Abteilung Akademische Neuroradiologie am Centrum für Schlaganfallforschung der Charité unter der Leitung von Jochen Fiebach. Das neue Verfahren erwies sich als gleichwertig darin, Durchblutungsstörungen im Hirngewebe anzuzeigen. Wie die Perfusionsmessung dauert auch sie nur wenige Minuten. "Die neue Technik hat das Potential, die heutigen Verfahren zu ersetzen", sagt Arno Villringer.

Verbesserungen könnte dies nicht nur bei der akuten Diagnose bringen, sondern auch beim Monitoring des späteren Therapieverlaufes. Denn wegen der Belastungen für den Körper sollte der Einsatz der Kontrast-Perfusionsmessung auf wenige Male begrenzt werden. Eine einfache MRT-Messung dagegen hat keine bekannten negativen Auswirkungen auf den Körper und kann beliebig oft angewandt werden. So könnte man besser als bisher verfolgen, wie im Verlauf der Therapie Veränderungen im Gehirn des Patienten auftreten.

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