Zuhören unter erschwerten Bedingungen

Hirnforscher finden heraus, warum schlechte Sprachqualität manchen Menschen weniger zu schaffen macht als anderen

2. Juli 2012

Schlechte Sprachqualität macht manchen Menschen weniger zu schaffen als anderen. Hirnforscher haben jetzt herausgefunden, warum das so ist.

Ob im Stimmengewirr in einer lauten Kneipe oder bei schlechtem Telefonempfang: Für die Verarbeitung gesprochener Sprache muss sich das Gehirn immer wieder an widrige akustische Bedingungen anpassen. Wissenschaftler am Leipziger Max-Planck-Institut für Kognitions- und Neurowissenschaften haben nun Faktoren identifiziert, die beeinflussen, wie gut diese Anpassung gelingt: An künstlich „verrauschte“ Sprache gewöhnten sich Versuchsteilnehmer umso schneller, je dichter ihre Hirnsubstanz in einer Region des Zwischenhirns war. Auch nicht-sprachliches Hören spielte eine wichtige Rolle.

Wer eine laute Kneipe betritt, kann anfangs meist kaum sein eigenes Wort und noch weniger sein Gegenüber verstehen. Doch nach kurzer Zeit schaffen wir es, den Lärm auszublenden und können uns fast normal unterhalten. Ähnliches passiert, wenn wir mit jemandem sprechen, der einen ungewöhnlichen Akzent hat. Unser Gehirn ist in der Lage, sich sehr schnell an solche Gegebenheiten anzupassen.

„Besonders entscheidend ist das für Menschen mit Hörstörungen und Gehörlose mit Innenohrprothesen, die eigentlich nie ein ganz klares Sprachsignal erhalten“, sagt Julia Erb. Die Mitarbeiterin der Forschungsgruppe „Auditive Kognition“ hat die Anpassung an niedrige Signalqualität untersucht, indem sie Normalhörende in eine ähnliche Lage wie Patienten mit neu implantiertem künstlichem Innenohr versetzte: Ihre Versuchsteilnehmer hörten 20 Minuten lang stark verrauschte Sätze mit künstlich verringerter Signalauflösung. Dabei sollten sie versuchen, soviel wie möglich zu verstehen und wiederzugeben. „Zuerst hört man dabei nur eine Art kratziges Flüstern und versteht wenig, aber nach einer Weile geht es besser und besser", sagt die Forscherin. In der Lerngeschwindigkeit gab es allerdings Unterschiede. Zum einen hingen diese mit nicht-sprachlichen Hörfähigkeiten zusammen. Wer die Modulationen eines Rauschens besser erfassen konnte, lernte schneller, die verzerrte Sprache zu verstehen.

Doch auch die Hirnanatomie stellte sich als Faktor heraus. Probanden, die eine dichtere Struktur in einem Teil des linken Zwischenhirns, dem Thalamus, aufwiesen, lernten schneller. Dieser Teil des Gehirns hat besonders starke Verbindungen zur Großhirnrinde und leitet Informationen aus dem Gehör zur Hörrinde weiter. „Möglicherweise funktioniert die Anpassung umso besser, je effektiver das Zwischenhirn Informationen aus dem auditiven System an die Großhirnrinde verteilt, wo sie weiterverarbeitet werden“, vermutet Julia Erb.

Tonbeispiele:

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