Kortikale Myelinisierung in Schimpansen
Unterschiede in der Gehirnentwicklung zwischen verschiedenen Primatenspezies können Aufschluss darüber geben, wie menschenspezifische Eigenschaften in der Evolution entstanden sind. Bislang gibt es nur wenige Studien zur kortikalen Entwicklung nichtmenschlicher Primaten und bestehende Studien beschränken sich auf in Gefangenhaft gehaltene Tiere. Es ist bekannt, dass diese Tiere nicht das gesamte Verhaltensrepertoire ihrer Spezies zeigen, was darauf hinweist, dass sich in einem unnatürlichen Umfeld die Gehirnplastizität nicht vollkommen entfalten kann. In dieser einzigartigen kollaborativen Studie untersuchen wir die Myelinisierung des Cortex in ganzen Gehirnen von auf natürliche Weise verstorbenen wilden und gefangenen Chimpansen und anderen Primaten unterschiedlichen Alters. Dafür kombinieren wir hochaufgelöstes quantitatives MRT mit Histologie.
In der Pilotphase des Projektes haben wir die Gehirne von sechs Chimpansen untersucht, die zwischen 3 Wochen und 32 Jahre alt waren. Die Gehirne wurden innerhalb von Stunden nach dem Tod entnommen und mit Formalin fixiert. Die resultierende Qualität des Gewebes erlaubte es uns, myelin-sensitive MRT Parameter mit einer Auflösung von 300 μm aufzunehmen. Durch hochaufgelösten Karten der ganzen Gehirne können wir Myelinierungsmuster über alle kortikalen Areale hinweg untersuchen. Die MRT Messungen werden mit verschiedenen histologischen Methoden in ausgewählten Areal validiert.
Mit diesem Projekt etablieren wir MRT-basiertes Erforschen von Myelinarchitektur mit noch nicht gesehener Auflösung, was unsere Daten zu einer einzigartigen Resource für komparative Neurowissenschaften macht. Zusätzlich werden von unseren Projektpartnern in den selben Tieren das Konnektom der weißen Substanz bestimmt (Abteilung für Neuropsychologie) sowie langjährige Verhaltensbeobachtungen (MPI-EVA) durchgeführt. Der gesamte Datensatz eröffnet viele neue Möglichkeiten um die funktionelle Neuroanatomie, die menschlichen Verhaltensweisen zugrunde liegt, zu untersuchen.
Die Abbildung zeigt quantitative Karten von zwei wilden Chimpansen unterschiedlichen Alters. Unterschiedliche Parameter (R1, R2*, PD and MT saturation) wurden an einem 7 Tesla MRI Scanner (Siemens Healthineers, Erlangen, Germany) mit 300μm isotroper Auflösung aufgenommen. Sagittalschnitte der longitudinalen Relaxationszeit (R1) für zwei Chimpansen (3 Wochen und 6 Jahre alt) sind dargestellt. Frühe Myelinisierung im neugeborenen Chimpansen ist sowohl auf den MRT-Bildern als auch auf einer histologischen Myelinfärbung (Antikörper gegen Myelin Basic Protein) gut zu erkennen. Im 6 Jahre alten Chimpansen kann man anhand der Myelinisierung das primäre und secondäre visuelle Areal (V1 und V2) sowohl in den MRT-Bildern (R2*) als auch in der Histologie (Antikörper gegen Myelin Basic Protein) gut unterscheiden.