Ärger oder Schmerz?

Wie das Gehirn von Babys Gesichtsausdrücke verarbeitet

8. April 2014

Mit bereits acht Monaten können Babys in Gesichtern lesen und zwischen einer ärgerlichen und einer schmerzlichen Mimik unterscheiden. Dabei sieht die neuronale Verarbeitung dieser Gesichtsausdrücke bei Babys anders aus als bei Erwachsenen. Diese Prozesse der frühkindlichen Gehirnentwicklung konnten erstmals in einer Studie des MPI belegt werden.
Genau und schnell zwischen einzelnen Gefühlsregungen des Gegenübers unterscheiden zu können ist aus evolutionärer Sicht wichtig für den Menschen. Es ermöglicht uns in vielfältigen sozialen Situationen adäquat reagieren zu können. So neigen wir zum Beispiel dazu, anderen Menschen, die einen schmerzvollen Gesichtsausdruck zeigen, zu helfen. Das schnelle Erkennen von Anzeichen des Ärgers im Gesicht des Gegenübers wird dagegen mit dem inneren menschlichen „Alarm-System“ in Verbindung gebracht. So nehmen wir den Ausdruck von Ärger bei unseren Mitmenschen tendenziell als persönliche Bedrohungen war. Dieses Erkennen entsprechender Signale erhöht die individuelle Aufmerksamkeit. Anzeichen von Ärger schnell von anderen Gefühlsausdrücken, beispielsweise von denen des Schmerzes zu unterscheiden, ist also von großer Bedeutung.

Vorangegangene Studien hatten gezeigt, dass Babys bereits im Alter von sieben Monaten grundlegende Emotionen wie Freude oder Angst über den Gesichtsausdruck anderer wahrnehmen. Weitgehend ungeklärt war jedoch bisher, ob Babys auch zwischen negativen emotionalen Ausdrücken, wie Ärger und Schmerz unterscheiden können. In der aktuellen Studie konnten die Wissenschaftler erstmals belegen, dass Babys im Alter von acht Monaten bereits gut zwischen beiden Gesichtsausdrücken unterscheiden, obwohl die beiden menschlichen Gesichtsausdrücke für Ärger und Schmerz sich in einigen Bereichen sehr ähneln (z.B. in der Augenregion). „Möglicherweise fällt diese Reifung im Gehirn der Kinder nicht zufällig mit der Lebensphase zusammen, in der die Kleinen mobil werden, erste Grenzen testen und nun öfter auch mal mit einem ärgerlichen Gesicht konfrontiert sind.“, meint Manuela Missana, die die Studie am MPI durchgeführt hat.


Für die Studie hatten die Wissenschaftler Erwachsene und Babys eingeladen um ihnen Videos mit ärgerlichen und schmerzvollen Gesichtern zu zeigen (Abb. 1). Um Aussagen über die zeitliche Verarbeitung der Gesichter im Gehirn treffen zu können, wurden dabei mittels des Elektroenzephalogramm (EEG) die Hirnströme der Teilnehmer aufgezeichnet. Zusätzlich füllten die Eltern der Babys einen Temperamentsfragebogen aus. Sie gaben Einschätzungen zum Verhalten ihres Babys in unterschiedlichen alltäglichen Situationen, z.B. beim Einschlafen, ab. Die erwachsenen Versuchsteilnehmer füllten einen Persönlichkeitsfragebogen aus, mit dem ihre Empathiefähigkeit erfasst wurde. Außerdem gaben sie eine Selbsteinschätzung zur Wirkung der Gesichter auf sie ab.

„Unsere Vergleiche der EEG-Messergebnisse von Erwachsenen und Babys zeigen erstmals klar, dass kleine Kinder diese Gesichtsausdrücke noch anders verarbeiten als Erwachsene“, erklärt Manuela Missana. „In den EEG-Kurven der erwachsenen Probanden fanden wir die typischen Amplitudenausschläge in der frühen Verarbeitungsphase, der sogenannten early posterior negativity (EPN)“, sagt Missana. (Abb.2) Eindeutig ist auch zu erkennen, dass sich die Verarbeitung von ärgerlichen Gesichtsausdrücken etwas schneller vollzieht als die von schmerzlicher Mimik.

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