Wenn aus Einfühlsamkeit Altruismus wird

Wie wir auf Menschen in Not reagieren, zeigt sich bereits daran, wie wir als Babys auf ängstliche Gesichter reagiert haben. Das zeigt eine Studie des Max-Planck-Instituts für Kognitions- und Neurowissenschaften in Leipzig und der Universität von Virginia in Charlottesville, USA.

25. September 2018

Altruistisches Verhalten wird als eine der wesentlichen Voraussetzungen für Kooperation in menschlichen Gesellschaften gesehen. Altruismus bezeichnet dabei ein soziales Verhalten gegenüber einer anderen Person, mit der wir weder verwandt sind noch in einem anderen engen sozialen Verhältnis stehen, ohne dass wir einen direkten persönlichen Nutzen oder Gegenwert erwarten. Dennoch variiert diese Tendenz, sich altruistisch zu verhalten, zwischen einzelnen Menschen sehr stark. Während es bei einigen besonders deutlich ausgeprägt ist, etwa bei jenen, die einem Unbekannten eine Niere spenden, scheint es bei anderen, etwa antisozialen Psychopathen, kaum vorhanden zu sein.  

Bisher war wenig darüber bekannt, wann im Laufe des Lebens sich welche Tendenz herausbildet. Frühere Studien haben jedoch bereits belegt, dass Menschen, die sensitiver auf angstverzerrte Gesichter reagieren, sich gleichzeitig prosozialer verhalten – und das bereits im Vorschulalter. Damit scheint die unterschiedliche Reaktion von Kindern auf ängstliche Gesichter eine Möglichkeit zu sein, die Vorstufen altruistischen Verhaltens zu untersuchen.

Um dieser Frage nachzugehen, nutzte ein Team des Max-Planck-Instituts für Kognitions- und Neurowissenschaften (MPI CBS) in Leipzig und der Universität von Virginia in Charlottesville, USA, das sogenannte Eye Tracking. Dabei werden die Blickbewegung der Kleinen gemessen, während sie ängstliche, fröhliche oder wütende Gesichter zu sehen bekommen. Die Forscher beobachteten zunächst, wie Babys im Alter von sieben Monaten auf diese Gesichter reagierten. Sieben Monate später untersuchten sie wiederum in einem Test, wie prosozial sich die Kleinen verhalten – und ob es dabei möglicherweise einen Zusammenhang mit ihrer Reaktion auf die Gesichter gibt. Dazu ließ der Versuchsleiter einen Gegenstand vom Tisch fallen und wartete ab, ob ihm das Kleinkind zu Hilfe eilt, um ihn wieder aufzuheben.

Und tatsächlich: Anhand der Reaktion der Kleinen auf ängstliche Gesichter im Alter von sieben Monaten konnten die Wissenschaftler voraussagen, wie hilfsbereit sich die Kinder sieben Monate später zeigen würden. Und nicht nur das: Diese Unterschiede spiegelten sich sogar in ihren Hirnaktivitäten wider. Babys, die stärker auf die ängstlichen Gesichtsausdrücke reagierten und sich demzufolge einige Monate später als prosozialer herausstellten, zeigten andere Muster im sogenannten dorsolateralen präfrontalen Cortex als die weniger prosozialen. Diese Zusammenhänge zeigten sich wiederum nicht, wenn sie mit fröhlichen oder wütenden Gesichtern konfrontiert wurden.

“Unsere Ergebnisse offenbaren, dass sich bereits in unserer sehr frühen Entwicklung anhand unserer Reaktion auf hilfebedürftige Menschen und unserer Hirnaktivitäten erkennbar wird, wie unterschiedlich stark sich altruistisches Verhaltens bei uns später ausprägen wird“, so Tobias Grossmann, Studienleiter und Erstautor der zugrundeliegenden Studie, die aktuell im Fachmagazin PLOS Biology erschienen ist. „Außerdem wissen wir nun, dass unsere Reaktion auf Menschen mit Angst eine Vorstufe von altruistischem Verhalten bildet.“

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